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Medizinstudenten üben mit Schauspielern

Medizinstudenten üben mit Schauspielern

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Foto: ddp

Münster. Im Studium müssen sich angehende Mediziner beachtliche Mengen an Fachwissen aneignen. Zwischenmenschliche Kompetenz erlangen sie dabei nicht automatisch. Diese Lücke möchte die Uni Münster mit einem Studienhospital füllen: Dort üben Studenten den Umgang mit schauspielernden Patienten.

Medizinstudentin Anna Ludes sitzt am Bett der Patientin und fragt nach ihren Beschwerden. «Mein Bauch tut so weh», klagt die Kranke und macht ein schmerzverzerrtes Gesicht. Die Szene wirkt echt, sie ist aber nur nachgestellt. Denn am Studienhospital der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster lernen angehende Mediziner mit Hilfe von Schauspielern den Alltag eines Arztes kennen.

Training in realistischer Atmosphäre

«Das Studienhospital Münster ist eine deutschlandweit einmalige Ausbildungsstätte für Studierende der Medizin», sagt Leiter Hendrik Friederichs. Die Hochschüler sollen hier trainieren, was sie an handwerklichen und kommunikativen Fähigkeiten für ihren Beruf brauchen.

Diese praktische Orientierung sei grundsätzlich zwar nicht neu, sagt Bernhard Marschall, Studiendekan der Medizinischen Fakultät. Während sich die Übungseinheiten bisher auf verschiedene Lehrgebäude und das Klinikum verteilten, gebe es jetzt in Münster aber erstmals Ausbildung pur und unter einem Dach. «Und anders als in den medizinischen Trainingslabors wird im Studienhospital eine realistische Atmosphäre geschaffen. Jede ärztliche Arbeitssituation kann hier einmal simuliert werden – zum Beispiel mit Schauspielern.»

„Gesprächsführung“ auf dem Lehrplan

Das Studienhospital ist in einem ehemaligen Schwesternwohnheim untergebracht und wird in drei Bauabschnitten realisiert: Im ersten, bereits genutzten Teil ist der Krankenhaustrakt mit sechs Betten entstanden. Die zweite Stufe mit der hausärztlichen Ambulanz geht am Donnerstag, 20. November, in Betrieb. Dazu wird auch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) in Münster erwartet. Bald soll dann auch der Operationstrakt fertig sein – dort können die Medizinstudenten unter anderem an Schweinehälften operieren.

Die Ausbildungsstätte bietet Kurse für Medizinstudenten vom vierten bis zum zehnten Semester. Für die Viertsemestler steht an diesem Tag neben der Untersuchung von Herz und Lunge, die sie an einem Kommilitonen vornehmen, «Gesprächsführung» auf dem Lehrplan. Für Aufgaben wie diese hat das Haus 50 meist Laienschauspieler aus Münster engagiert. «Es hat extra ein Casting gegeben», sagt Psychologin Janina Sensmeier. Denn nicht jeder eigne sich für diese Rolle.

Beobachter hinter der Spiegelscheibe

Studentin Anna Ludes sitzt am Bett der Schauspielerin und fragt gewissenhaft nach der Vorgeschichte ihrer aktuellen Beschwerden. «Haben Sie gestern etwas Besonderes gegessen? Haben Sie sich vielleicht aufgeregt? Wie sieht es mit Alkohol aus?» Die Patientin schüttelt den Kopf, Tränen steigen ihr in die Augen.

Eine gute Anamnese, also das Erforschen der Krankengeschichte, sei überaus wichtig, sagt Tutorin Sonja Kampschulte. Mit den Kommilitonen von Anna Ludes sitzt sie, Kopfhörer auf den Ohren, hinter einer durchsichtigen Spiegelscheibe und folgt der Szene in dem Krankenzimmer. Später werden sie und die Psychologin mit der Kandidatin besprechen, was gut und was weniger gut gelaufen ist. Auch der Klinikchef hat per Computer ein Auge auf das Geschehen in den Krankenzimmern.

Schauspieler mit Spaß dabei

Im Nachbarzimmer liegt Frank Lieven, Theaterpädagoge aus Münster, in seinem Bett und wartet auf seinen Auftritt. «Ich habe Lungenentzündung», verrät er, einen dicken Schal um den Hals. Mit großem Spaß ist er seit einem Jahr mit von der Partie. Hepatitis C und einen Hinterwandinfarkt habe er schon «gehabt». Am besten habe ihm aber die Meningitis gefallen. «Da konnte man richtig leiden und musste nicht so viel reden.» Vorher bekomme er natürlich Informationen zu der Krankheit, die er simulieren soll. Dazu denkt er sich noch eine kleine Biografie aus, damit die ganze Geschichte auch glaubhaft wirkt. (ddp)

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