Norbert Röttgen – der Absturz eines Hoffnungsträgers
Er glaubte, mit seinem Rückzug vom NRW-Landesvorsitz schon genug gebüßt zu haben. Doch das war ein Irrtum. Norbert Röttgen, der jahrelang als Merkels Kronprinz galt, ist auf ganzer Linie politisch gescheitert – an seiner eigenen Strategie. Ein Porträt des einstigen Hoffnungsträgers.
Berlin.
Es ist der jähe Absturz eines Hoffnungsträgers: Nach seiner krachenden Niederlage bei der nordrhein-westfälischen Landtagswahl hat Kanzlerin Angela Merkel ihren Umweltminister Norbert Röttgen aus dem Kabinett geschmissen – gegen seinen Willen. Röttgen meinte offenbar, schon genug gebüßt zu haben: Denn schon Sonntagabend, wenige Minuten nach den ersten Prognosen, hatte er demütig seinen Rückzug vom NRW-Landesvorsitz verkündet. Doch nun ist der Mann, der lange Jahre als Merkels möglicher Kronprinz galt, auf ganzer Linie politisch gescheitert – an seiner eigenen Strategie.
Vor gut eineinhalb Jahren gewann Röttgen – für viele überraschend – das Rennen um den Landesvorsitz der nordrhein-westfälischen CDU. Selbstverständlich werde er die Partei bei der nächsten Landtagswahl als Spitzenkandidat anführen, versicherte der stellvertretende CDU-Chef bei seiner Kür. Offensichtlich vernachlässigt hatte der 46-Jährige aber das Risiko, dass der nächste Wahlkampf schneller kommen würde als gedacht.
Beim Wahlkampf hat er gleich den Start verstolpert
Bis zum Tag der Landtagsauflösung in Nordrhein-Westfalen ging es stetig nach oben für Röttgen, der am 2. Juli 1965 in Meckenheim bei Bonn geboren wurde. 1982 trat er der CDU bei, war zwischen 1992 und 1996 Landesvorsitzender der Jungen Union in NRW und von 2000 bis 2002 Vize der nordrhein-westfälischen Landesgruppe im Bundestag. 2002 wurde er rechtspolitischer Sprecher der Unions-Fraktion und war von 2005 bis 2009 Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion. Im selben Jahr wurde er Bundesumweltminister, seit 2010 ist Röttgen zudem stellvertretender CDU-Bundesvorsitzender.
Doch der Wahlkampf lief nicht gut für Röttgen. Den Start verstolperte er, weil er sich nicht festlegen wollte, ob er auch im Fall einer Wahlniederlage in Düsseldorf bleiben würde. Geradezu verheerend verlief jedoch die letzte Woche. Mit seiner Äußerung, bei der NRW-Wahl gehe es auch um den Euro-Kurs der Kanzlerin, brachte Röttgen die Kritiker gegen sich auf. Und dann verhedderte er sich auch noch in seinen eigenen Schachtelsätzen. „Bedauerlicherweise entscheidet nicht allein die CDU darüber, sondern die Wähler entscheiden darüber“, sagte Röttgen in einer Talkshow des ZDF. „Darüber“ bezog sich darauf, ob er Ministerpräsident werden würde.
Im Dauerclinch mit Philipp Rösler
Am Sonntagabend trat ein geschlagener Spitzenkandidat vor die Kameras. Mit geradem Rücken, aber glasigen Augen verkündete Röttgen seinen Rückzug vom Amt. Es sei seine persönliche Pleite, gestand er zerknirscht.
Am Ende war er nun auch für die Kanzlerin nicht mehr zu halten. Unmissverständlich machte sie in ihrem kurzen Statement am Mittwochnachmittag deutlich, dass die Energiewende zu wichtig sei, als dass das Umweltressort von einem derart angeschlagenen Minister geführt werden könnte. Mit Wirtschaftsminister Philipp Rösler lag Röttgen ohnehin im Dauerclinch – und zog nicht nur einmal den Kürzeren.
Letzte Schlappe Bundesrat
Seine Zeit als Minister war ein einziges Auf und Ab. Zog er bei der Laufzeitverlängerung für die Atomkraftwerke zunächst den Kürzeren, konnte er wenige Monate später bei der Energiewende seine Vorstellungen durchsetzen: Als Reaktion auf die Katastrophe von Fukushima besiegelte die Regierung den Atomausstieg und damit auch die Energiewende – Röttgens großes Projekt. Doch nur zwei Tage vor der NRW-Wahl folgte die vorerst letzte Schlappe: Der Bundesrat stoppte die Pläne des Bundesumweltministers zur Kürzung der Solarförderung, auch CDU-geführte Länder stimmten gegen Röttgen.
Der redegewandte Jurist steht im Ruf, ein schneller Denker zu sein, sein Intellekt ist unbestritten. „Muttis Klügster“ wurde er in Berlin genannt. In diesem Wahlkampf aber hat er unbestritten Fehler gemacht. „Es war mein Wahlkampf. Es waren meine Themen“, gab er daher am Wahlabend kleinlaut zu. Seine Rechnung, sich mit dem mächtigen Landesverband Nordrhein-Westfalen auch die Unterstützung für womöglich höhere Aufgaben zu sichern, ist gründlich daneben gegangen. Röttgen ist an seiner eigenen Strategie gescheitert. (dapd)