Das Entsetzen über den Anschlag auf Rettungskräfte am 11. Mai in Ratingen ist ungebrochen. Das Rätseln über die Motive des Tatverdächtigen (57) für die unfassbare Tat geht weiter. Bislang teilten die Ermittler mit, dass der 57-Jährige zur sogenannten Prepper-Szene gehöre und es deutliche Hinweise dafür gebe, dass er Corona-Leugner sei.
Hat sich die Szene trotz Abflauen der Pandemie-Auswirkungen auf die Gesellschaft weiter radikalisiert? Der Verfassungsschutz NRW hat sich dazu auf Nachfrage dieser Redaktion geäußert. Die Behörde hat der Szene mittlerweile einen eigenen Namen gegeben.
+++ Ratingen: Neue Details werfen Fragen auf – was wusste die Polizei? +++
Anschlag in Ratingen: Wie gefährlich sind Corona-Leugner?
Im Zuge der Corona-Pandemie hatte sich in Deutschland eine breite Protestfront gegen die Einführung der staatlichen Beschränkungen gebildet. Die Bewegung fand Anklang in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Milieus. Manche leugneten die Pandemie, andere die Auswirkungen. Sie alle einte eine Ablehnung der Einschränkungen. Diesen Nährboden nutzten unter anderem extrem rechte Lager für ihre Ideologien.
Sie versuchten, die demokratische Grundordnung, die Legitimität von Politikern und staatlichen Institutionen zu unterwandern. Es kam zu Sachbeschädigungen und Sabotage in staatlichen Institutionen sowie zu Widerstand gegen ihre Repräsentanten (z.B. Ordnungsamt/Polizei). „Zudem äußern sich Personen im Internet zustimmend zu Gewalt- und gar Tötungsszenarien mit Blick auf Politiker oder prominente Vertreter aus Wissenschaft und Wirtschaft“, teilte der Verfassungsschutz mit. Nach Abflauen der Pandemie hat sich das Themenfeld der Szene erweitert. Auch andere Krisen (Klimaschutz, Ukraine-Krieg) nutzen Verschwörungstheoretiker mittlerweile als Vorwand, um die Gesellschaft aufzuhetzen. Dafür hat der Verfassungsschutz mittlerweile einen Namen und spricht von der Delegitimierungs-Szene.
Wie gefährlich ist die Szene in NRW
Auch die Polizei geriet in der Pandemie zu einem Feindbild der Anhänger der Szene. „Durch deren Schmähung als Vollzugsorgan einer vermeintlichen ‚Corona-Diktatur‘ soll Gewalt gegen Polizeikräfte zum legitimen Widerstandsakt stilisiert und die Hemmschwelle hierfür sukzessive abgesenkt werden“, teilte der Verfassungsschutz mit. Ist diese Entwicklung den Polizisten und Rettungskräften in Ratingen zum Verhängnis geworden? Hat der 57-Jährige sich derart radikalisieren lassen, dass er einen Anschlag geplant hatte?
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Mit dieser Frage müssen sich die Ermittler nun beschäftigen. Für eine breitere Radikalisierungstendenz der Szene in NRW sieht der Verfassungsschutz nach eigenen Angaben bislang keine Anzeichen. „Der NRW-Verfassungsschutz hat jedoch bereits früh davor gewarnt, dass die in dieser Szene gängigen Verschwörungsmythen, Desinformationen und Fake-News verstärkend auf die Radikalisierung Einzelner wirken können“, teilte die Behörde auf Nachfrage von DER WESTEN mit. Deshalb werde der Verfassungsschutz die Delegitimierungs-Szene „weiter intensiv im Blick behalten“.