Lehrer sollen Schülern nicht beibringen, Steuererklärungen auszufüllen, sondern, wie sie selbst Antworten auf Fragen finden. Da sind Eltern gefordert.
Essen.
„Ich kann den Schülern nicht beibringen, wie man ein Schnitzel brät“, sagt Schuldirektorin Monika Burbaum, Sie hat Recht. Die Forderung, den Schulunterricht mehr auf Alltagskompetenzen auszurichten, ist nicht nur alt, sie ist auch wohlfeil.
Denn wer fordert, dass Lehrer ihren Schülern beibringen sollen, wie Steuererklärungen auszufüllen sind und auf welche Versicherungen es ankommt, der muss auch sagen, welcher Stoff dafür gestrichen wird. Englisch-Unterricht, wo fast jede Stellenausschreibung Fremdsprachenkenntnisse erwartet? Oder Naturwissenschaften, wo NRW-Schüler ohnehin schon hinterherhinken? Das kann nicht die Lösung sein.
Alltagskompetenzen sind ein zu weites Feld
Die geforderten Alltagskompetenzen sind zudem sehr individuell: Der eine kennt sich mit Versicherungen bereits aus, der andere ist Sohn eines Steuerberaters und quasi von Haus aus fit in Steuerfragen. Wo soll Schulunterricht da ansetzen? Mal ganz abgesehen davon, dass die Frage, welche Versicherung für den einzelnen wichtig und ratsam ist, doch sehr stark vom Einzelfall abhängt.
Zudem sind solche Themen starken Veränderungen unterworfen: Was bringt es einem Schüler, heute zu lernen, welche Felder in der Steuererklärung auszufüllen sind? Seine erste Steuererklärung wird er unter Umständen erst nach dem Studium ausfüllen. Bis dahin, davon ist auszugehen, werden sich die Steuergesetze noch fünfmal ändern.
Eltern sind gefordert
Alltagskompetenzen sollten dort vermittelt werden, wo sich der Alltag abspielt: zu Hause. Da sind die Eltern gefordert. Sie haben in den meisten Fällen ausreichend Erfahrung mit Steuererklärungen, Versicherungen und Mietverträgen, um ihrem Nachwuchs zumindest grundlegende Fähigkeiten zu vermitteln.
Und wenn nicht, dann ist es zumindest ihre Aufgabe, ihren Kindern zu helfen, entsprechende Ansprechpartner und Anlaufstellen zu finden.
Hilfe zur Selbsthilfe
Ziel eines allgemeinbildenden Schulunterrichts muss es sein, Schülern die Fähigkeit zu vermitteln, sich selbst zu helfen: Wer Probleme mit seinem Mietvertrag hat, findet erstens im Internet zahllose Seiten, die Tipps geben und auf Fallstricke hinweisen. Zweitens gibt es heute mehr denn je Anlaufstellen, die Hilfe bieten: Fachzeitschriften, Mietervereine, Verbraucherzentralen.
Die Kunst dabei ist es, sich in einem Dschungel an Informationen zurechtzufinden, glaubwürdige von unglaubwürdigen Quellen zu unterscheiden und Irrelevantes von Relevantem zum trennen. Das ist es, was Schule vermitteln sollte – und auch vermittelt. Nicht zuletzt durch Gedichtinterpretationen.
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