Die Tierschutzorganisation Peta klagt, dass viele Zoos Tierbabys nur züchten, um Besucher anzulocken. Wenn es eng wird, werden die ausgewachsenen Tiere dann an dubiose Händler verkauft. Die Zoos wehren sich gegen diese Vorwurf.
Essen.
Eisbär Knut war für den Berliner Zoo der Jackpot. Millionen Menschen wollten das niedliche Bärenbaby sehen. Das brachte dem Tierpark ein Vermögen ein. Knut starb mit vier Jahren einen allzu frühen Tod. Andere Kinderstars erwartet als ausgewachsene Tiere allerdings noch ein schlimmeres Schicksal.
Die Tierschutzorganisation Peta beklagt, dass viele Zoos züchten, ohne sich über den späteren Verbleib der Tiere Gedanken zu machen. Hat der Zoo nicht den Platz und das Geld, um die Nachzuchten zu behalten, müssen andere Lösungen gefunden werden. Oft, so Peta, würden die Tiere dann an Zirkusse, Privathändler oder sogar exotische Restaurants verkauft. Der WDR deckte jetzt in der Reportage „Geboren, um zu sterben“ auf, wie dubiose Tierhändler davon profitieren. Peta-Wildtierexperte Peter Höffken: „Das sind Wegwerftiere, um Besucher anzulocken.“ Auch der deutsche Tierschutzbund kritisiert, dass im Zoomanagement oft zum Nachteil der Tiere entschieden werde. Für die Tierschützer gibt es nur eine Lösung für das Problem: Jede Nachzucht muss gestoppt werden. Ganz so einfach, sagen die Zoobetreiber, ist es dann aber doch nicht.
Nachzuchten nicht nur bei bedrohten Tierarten
Wenn der Erdmännchen-Nachwuchs im Duisburger Zoo durch sein Gehege tollt, wird es schnell eng am Geländer. Dort drängeln sich die Besucher, um einen besonders guten Blick auf die niedliche Schar zu erhaschen. Erdmännchen, erklärt der wissenschaftliche Leiter des Duisburger Zoos Dr. Jochen Reiter, seien keine vom Aussterben bedrohte Art. Damit erscheint die Nachzucht in menschlicher Obhut zunächst sinnlos. Denn oft, so wie auch beim Eisbären, wollen die Zoos mit ihren Zuchtprogrammen eine seltene Tierart erhalten. „Unsere Erdmännchen dürfen sich trotzdem fortpflanzen, weil wir den Besuchern ja ein sinnvolles Sozialgefüge zeigen wollen“, sagt Dr. Reiter. Denn Erdmännchen leben in großen Gruppen. „Da bringt es nichts, nur ein Pärchen zu halten.“
Die Besucher wollen Tierbabys sehen – und vergessen dabei oft, dass diese einmal erwachsen werden. Nimmt es der Zoo mit dem Geburtenmanagement nicht so genau, wird es schnell eng in den Gehegen. Besonders alte, männliche Tiere und junge Überschusstiere, so Peta-Experte Höffgen, müssten dann aussortiert werden. Auf der Suche nach einem neuen Zuhause für ihre Schützlinge wenden sich Zoos, die Mitglied in einem Berufsverband wie etwa dem Verband Deutscher Zoodirektoren (VDZ) sind, zunächst an andere Verbandsmitglieder. „Wir schicken dann Listen raus mit den Tieren, die wir über haben“, erklärt Dr. Reiter. Dieses Tauschgeschäft funktioniere im Prinzip wie ein riesiges schwarzes Brett: Man versucht, die Tiere möglichst sinnvoll auf die Mitgliedszoos zu verteilen. In Duisburg ist Reiter persönlich dafür verantwortlich und er versichert: „Ich finde Plätze.“ Denn was er unter allen Umständen vermeiden will, ist, dass die Tiere in einer nicht artgerechten Haltung leiden müssen.
So moralisch, klagt Peta, würden bei weitem nicht alle Zoobetreiber denken. Im Berliner Zoo, der auch Knuts Zuhause war, würde man mit Überschusstieren anders umgehen. Dort verkaufe man die Tiere gerne an dubiose Händler, sagt Peter Höffken. „Wir haben einen Fall, in dem Zootiere an exotische Restaurants weiterverkauft wurden“, erzählt er. Meisten landeten die einst so niedlichen Babys aber bei Privatleuten, in heruntergekommenen Tierparks oder Zirkussen – und vegetieren unter schlimmsten Bedingungen vor sich hin. Denn so groß seien die Hürden beim Handel mit exotischen Tieren nicht, sagt der Peta-Sprecher.
Peta will das Problem an der Wurzel packen und fordert einen generellen Zuchtstopp. Nachwuchskontrolle mit Hilfe von Hormonchips, die den weiblichen Tieren unter die Haut gesetzt werden, sei nicht besonders schwierig, sagt Dr. Reiter. Dennoch würde manchmal bewusst darauf verzichtet: „Mutterschaft ist für weibliche Tiere wichtig.“ Einerseits seien sie beschäftigt, andererseits könne die medikamentöse Verhütung die Tiere auch krank machen. Das gibt auch Dr. Thomas Kauffels, der Präsident des VDZ, zu bedenken: „Chemische Verhütung ist eine zweischneidige Sache.“
Futter für die Raubkatzen
Über die andere Möglichkeit, dem Problem Herr zu werden, wird in Zoo-Kreisen nicht so gerne gesprochen: Überflüssige Tiere, für die kein artgerechter Platz gefunden werden kann, könnten eingeschläfert werden. „Aber versuchen Sie mal, das den Hardlinern zu vermitteln“, meint Jochen Reiter. Peta beispielsweise lehnt diese Idee strikt ab. In Deutschland sei es nicht erlaubt, Tiere aus Populationsgründen einzuschläfern, sagt VDZ-Präsident Kauffels: „Aber wenn man eine Ziege als Futter für die Löwen braucht, ist das ein Grund.“ In seltenen Fällen wird auch im Duisburger Zoo so gehandelt. „Bevor wir die Tiere in eine miese Haltung abgeben, lösen wir das lieber intern“, erklärt Reiter. Bei den Nutztieren – den Kamerunschafen und den Ziegen aus dem Streichelzoo – käme es schon einmal vor, dass sie getötet würden und als Futter für die Raubtiere dienten. Diese Entscheidung würde aber selten und dann gemeinsam mit allen Mitarbeitern getroffen, betont Reiter. Die Zoobesucher wollen davon aber nichts wissen. Sie gucken sich lieber Tierbabys an.