Sie ist eine der berühmtesten Modemacherinnen der Welt: Vivienne Westwood wird am heutigen Freitag 70 Jahre alt. Die „Queen of Punk“ ist eine harte Arbeiterin und Perfektionistin.
London.
Ist es nicht wunderbar, wenn einem die Meinung anderer völlig egal ist? Wenn man drauf pfeifen kann, ob einem ein Stil, eine Frisur, ein Make Up „steht“ oder nicht, wenn man bunte Kleider einfach anzieht, weil sie bunt sind, wenn man Ureinwohner-Schlangen auf sackartige Gebilde zaubert und sich keck als Model im Internet präsentiert, wenn man breite Stretchgürtel um die nicht mehr so schlanke Mitte flechtet, sich in schillernde Wagenradröcke mit neckischen Schühchen dazu wandet oder sich gar aller Klamotten entledigt, um sich nackt und mit sehr weißer Haut auf einem Barocksofa drapiert fotografieren zu lassen, 69-jährig und ohne Weichzeichner; wenn man Stil nicht konsumiert, sondern prägt? Ist es wunderbar? Es ist Punk!
Hoch lebe Vivienne Westwood, die vor vielen Jahren Punk zu Mode machte und die zu einer der besten Designerinnen der Welt wurde. Heute wird die britische Mode-Ikone mit den orangenen Haaren 70 Jahre alt.
Wer in der Modebranche voller exaltierter Persönlichkeiten hervorstechen will, der braucht vor allem gute Ideen. Vivienne Westwood, geboren 1941 als Arbeitertochter in Mittelengland, hatte nicht nur gute Ideen, sondern auch Zähigkeit und Mut, sie durchzusetzen.
Harte Arbeiterin und Perfektionistin
Als geschiedene Mutter zweier Kinder, die noch als Lehrerin unterrichtete, begann sie, Kleidung selbst zu nähen, schnitt Nähte auseinander, um Schnittmuster zu lernen. Dann eröffnete sie mit ihrem langjährigen Partner Malcolm McLaren, der ein Freund ihres Bruders war und später Manager der Punkgruppe Sex Pistols, eine Modeboutique in London.
„Let it rock at Paradise Garage“ hieß sie, und noch war es Kleidung für „Teds“, die McLaren selbst trug, bis das Paar auf den Punk umschwenkte. Die Westwood radikalisierte sich und ihre Umgebung, handelte zwischenzeitlich mit Erotikwäsche und betrieb Boutiquen, die „Aufwiegler“ und „Ende der Welt“ hießen. Vivienne Westwood selbst war damals ihre eigene Werbeträgerin, eine strohblonde Punk-Ikone, die Nähte außen trug, Jacken mit Sicherheitsnadeln schloss und Hosen zerriss.
Heute will die Westwood nicht mehr auf die „Queen des Punk“ reduziert werden, sie ist es auch nicht, sondern eher eine harte Arbeiterin und Perfektionistin. Sie entwarf Teegeschirr und Kostüme für das Wiener Burgtheater, half der Berliner Modeszene persönlich auf die Beine, verbannte Pelze und Leder als Tierschützerin aus ihren Kollektionen und lebte – so ganz nebenbei – 30 Jahre lang in einer Sozialwohnung.
Naomi Campbell brach sich auf ihren Schuhen fast die Beine
Sie hat ein Faible für historische Kostüme, hat ein eigenes Karomuster entworfen, eine Clint-Eastwood- und Keith-Haring-Kollektion, designte schon vor Jahren Kapuzenpullis und Piratenstiefel mit Schnallen, die es bis heute gibt. Auf ihren XXL-Stöckelschuhen stolperte einst Naomi Campbell auf dem Laufsteg und brach sich fast die langen Beine. Heidi Klum lässt ihre Küken heute darauf üben. Tragbare, bezahlbare Westwood-Mode ist weltweit in „Vivienne Westwood Showrooms“ und im Netz vertreten.
Ende der 80er-Jahre übernahm Vivienne Westwood eine viel beachtete Gastprofessur in Wien, wo sie sich in den 25 Jahre jüngeren Studenten Andreas Kronthaler verliebte und ihn 1992 heiratete. Sie lebt heute mit ihm zusammen in Battersea im Südwesten von London, standesgemäß in einem historischen Haus.
Bis heute malt sich Vivienne Westwood die Lippen blutrot an und steckt die Karottenhaare fusselig nach oben. Auch ihrer sagenhaften Art, sich zu kleiden ist sie treu geblieben. Also doch Punk, oder?