Ein kleiner Papyrus-Fetzen sorgt für Aufregung in der Christenwelt: War Jesus verheiratet? Eine Historikerin der Universität Harvard hat das Schriftstück untersucht und dabei einen Dialog entschlüsselt, in dem Jesus angeblich über seine Frau spricht. Die Herkunft des Dokuments ist bislang ein Geheimnis.
Boston.
Ein vergilbter Papyrus-Fetzen aus dem vierten Jahrhundert heizt neue
Sepkulationen über Jesus‘ Verhältnis zu Frauen an: War Jesus verheiratet? Karen
King, eine Historikerin der Universität Harvard, untersuchte den Text, bei dem
es sich den Angaben zufolge möglicherweise um einen Auszug aus einem Evangelium
handelt, und stellte ihn am Dienstag in Rom vor. Die Herkunft des Dokuments, das
aus einer Privaten Sammlung stammt, bleibt ein Geheimnis.
In dem in koptischer Sprache verfassten 3,8 mal 7,6 Zentimeter großen
Dokument heißt es in einem Dialog: „Jesus sagte zu ihnen, ‚meine Frau’…“. Die
Frau, auf die sich das Zitat bezieht, identifizierte King als „Maria“. Demnach
sagt Jesus in den folgenden Zeilen, in denen er mit seinen Jüngern darüber
diskutiert, ob Maria würdig sei, Maria könne sein Jünger sein.
Hinweise auf der Verhältnis zu Familie, Sexualität und Heirat
Seit den Anfängen des Christentums gibt es eine Debatte darüber, ob
Jesus mit Maria Magdalena verheiratet war und ob er einen weiblichen Jünger
hatte. King sagte, das Dokument belege nicht, dass Jesus verheiratet gewesen
sei, doch gebe es Hinweise auf das Verhältnis der frühen Christen zu Familie,
Sexualität und Heirat. Die Debatte über Jesus‘ Verhältnis zum anderen Geschlecht
ist bis heute aktuell wenn es beispielsweise darum geht, ob Frauen zum Priester
geweiht werden dürfen.
Das Dokument gehört einem privaten Sammler, der Kontakt mit King
aufgenommen hatte. Über den Ort, an dem es gefunden wurde, ist bislang nichts
bekannt. Kings Untersuchungen ergaben aber, dass es aus Ägypten stammen könnte.
Bei einem Kongress von Koptologen in Rom stellte sie die Entdeckung am Dienstag
vor.
Vermutlich Abschrift aus dem zweiten Jahrhundert
Kritiker warnten, die ungewisse Herkunft des Dokuments solle zur
Vorsicht mahnen. Der Text gebe keine Gewissheit darüber, dass die Autoren
glaubten, Jesus sei verheiratet gewesen. King und die Wissenschaftlerin Anne
Marie Luijendijk von der Universität Princeton sagten indes, das Dokument stamme
möglicherweise aus einem kürzlich entdeckten Evangelium über die Frau Jesu. Der
Text sei vermutlich eine Abschrift eines ursprünglich in Altgriechisch
verfassten Evangeliums aus der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts, denn er
weise Ähnlichkeiten mit anderen kürzlich entdeckten Evangelien auf. (dapd)