Essen. Zu viele oder die falschen Ansprüche – kein Single ist ohne Grund allein. Das sagt der Paarberater und Autor Michael Mary. Im Interview spricht er über die Fehler, die Alleinstehende bei der Partnersuche machen, faule Kompromisse und den Irrglauben an „den Richtigen“.
Herr Mary, Ihre These lautet: Kein Single ist ohne Grund allein. Tun Sie den Millionen Singles, die sich einsam fühlen und vielleicht sogar eine Menge unternehmen, um einen Partner zu finden, damit nicht Unrecht?
Michael Mary: Ich finde die Tendenz, Singles als „Opfer“ und als bedauernswerte Menschen zu sehen, fatal. Damit klopfen sich in Beziehung lebende auf die eigene Schulter, und Singles, die diese Sichtweise übernehmen, schaden sich selbst. Jemand mag ja eine Menge unternehmen, um jemanden kennen zu lernen, aber das ändert nichts daran, dass er auswählt. Der eine ist zu grob, der nächste zu feinsinnig, der nächste zu groß oder zu klein oder passt sonst wie nicht. Das ist auch in Ordnung so, aber dann muss man auch zu den Auswahlkriterien stehen.
Was ist der häufigste Fehler, den Singles bei der Partnersuche machen?
Mary: Ich meine, der größte Fehler ist, auf den so genannten „richtigen“ Partner zu warten. Das ist quasi jemand, mit dem alles von allein läuft, mit dem es keinen Ärger und keine Enttäuschungen gibt. Beziehungen sind allerdings keine Fertigware, die man aus dem Regal nehmen kann. Sie entstehen vielmehr in Verlauf der Verhaltensweisen (der Kommunikation) der Partner miteinander. Jeder ist also durch sein Verhalten an der Ausgestaltung seiner Beziehung beteiligt.
Was sind Ihrer Meinung nach Regeln, die Singles, die sich wirklich einlassen wollen, beachten sollten?
Mary: Eine Beziehung kann bestehen, wenn beide Partner darin Platz finden. Gerade gestandene Singles legen großen Wert auf ihre Individualität, also auf ihre Unterschiedlichkeit vom Partner. Diese Individualität will nun in der Beziehung untergebracht sein, und die des Partners ebenso. Dazu ist eine Menge Auseinandersetzung nötig, im Sinne von „Natürlich liebe ich dich, aber das bedeutet ja nicht, dass ich dieses und jenes …“
Sie sagen, den perfekten Partner gibt es nicht. Wo aber liegt dann die Grenze? Zu jedem Kompromiss sollte ich doch auch nicht bereit sein?
Mary: Ich halte nicht viel von Kompromissen. Ein Kompromiss schmeckt immer bitter, er wächst auf dem Hintergrund der Angst. Wenn man hingegen aus Liebe auf etwas verzichtet, dann tut man das gerne. Das schmeckt gut, nicht bitter. Natürlich gibt es den perfekten Partner im Sinne von „wir teilen alles miteinander – wir sind eins“ nicht. Das ist aber auch gar nicht nötig. Jeder – und das gilt gerade für gestandene Singles – will ja er selbst bleiben. Da bleibt aber immer noch genug Platz für intensive Begegnungen. Schließlich kann man heute ganz gut alleine leben, nur eben kann man nicht alleine lieben.
Wenn es partout nicht klappen will bei der Partnersuche – wie wird man ein glücklicher Single, wenn sich das Herz doch nach Zweisamkeit sehnt?
Mary: Einfach ehrlich mit sich sein. Zugeben, dass man die Mühe und den Stress nicht für erstrebenswert hält, dass man besser alleine klar kommt. Wer zu seinem Single-Dasein steht und es ablehnt, bedauert zu werden und sich zu bedauern, der hat kein Problem damit. Die Wissenschaft hat heute erforscht, dass sich die Lebenserwartung von Singles an die der Partner annähert. Das heißt: Partner lebten nicht deshalb länger, weil sie einen Partner hatten, vielmehr lebten Singles kürzer, weil sie sich stigmatisieren ließen. Damit sollte jetzt Schluss sein. Es gibt vieles, das Partner am Single-Leben beneiden können.
Michael Mary ist Paarberater und führt seit vielen Jahren Seminare und Fortbildungen durch. Mittlerweile hat er 20 Bücher veröffentlicht. Sein neustes Werk: „Lebt die Liebe, die Ihr habt“, Rowohlt, 10 Euro
Fotos: privat, Stephanie Hofschlaeger/www.pixelio.de
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