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Wer glücklich sein will, muss seinen Sex planen

Wer glücklich sein will, muss seinen Sex planen

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Foto: imago stock&people
Wie Sie ihr Liebesleben wieder in Schwung bekommen und warum Sex so wichtig für die Beziehung ist. Hier sind die Antworten.

Freiburg/Göttingen. 

Oft kommt Paaren die Sexualität klammheimlich abhanden. Erst hat man immer seltener Lust oder Zeit fürs Liebesspiel. Allmählich gewöhnen sich dann beide Partner daran, dass im Bett außer schlafen nichts mehr läuft. Doch wirklich glücklich sind sie mit diesem Zustand selten.

„Sicher gibt es auch Partnerschaften, in denen beide damit zufrieden sind, dauerhaft keinen Sex zu haben – aber deren Anteil ist verschwindend gering“, sagt der Diplom-Psychologe Ragnar Beer aus Göttingen. Oft werde das Thema Sex aus Frust irgendwann abgehakt und man arrangiere sich mehr schlecht als recht mit der Situation. Bei den meisten Paaren führe die sexuelle Abstinenz allerdings früher oder später zu Problemen – beispielsweise dann, wenn einer der Partner seine unterdrückten Bedürfnisse bei einem Seitensprung befriedige.

Wie viel Sex beide brauchen, müsse grundsätzlich jedes Paar für sich selbst herausfinden. „Man sollte sich aber klar machen, dass Sex für die meisten Partnerschaften sehr wichtig ist“, sagt der Gründer des internetbasierten Paartherapie-Projekts Theratalk (theratalk.de). Selbst wenn man selbst gerade nicht so viel Wert auf körperliche Zärtlichkeiten lege, müsse man auch die Bedürfnisse seines Partners im Blick behalten. „Schließlich ist man in einer monogamen Beziehung die einzige Person, die die Bedürfnisse des anderen erfüllen kann“, gibt Beer zu bedenken.

Spielerisch über Sex reden

Ein grundlegender Schritt hin zu einem erfüllteren Sexleben sei das Gespräch darüber. „Es ist sehr wichtig, dass man sich in einer Partnerschaft über seine sexuellen Wünsche austauscht“, sagt Ragnar Beer. Oft schämten sich die Partner allerdings, voreinander offen über ihr Liebesleben und das, was ihnen daran fehlt, zu sprechen. „Auf unserer Internetseite theratalk.de kann man daher beispielsweise kostenlos Fragebögen und Fragekarten herunterladen, die Paare bei so einem Gespräch unterstützen sollen“, sagt Beer. Durch die vorgegebenen Fragen könne man spielerisch miteinander ins Gespräch kommen und schließlich konkret über das Problem sprechen.

Die Ursachen dafür, dass das Liebesleben eines Paares zum Erliegen kommt, sind vielfältig. „Man sollte auf jeden Fall überprüfen, ob gesundheitliche Probleme vorliegen“, sagt Michael Berner vom Freiburger Informationszentrum für Sexualität und Gesundheit (ISG). Depressionen gingen beispielsweise mit einem Verlust an sexuellem Interesse einher. Auch Erektionsstörungen oder hormonell bedingte Veränderungen der Vagina könnten dazu führen, dass die Lust am Sex verloren geht. Berner empfiehlt Betroffenen, offen mit ihrem Partner über die Situation zu sprechen und sich gegebenenfalls professionelle Hilfe zu holen.

Aber auch Stress und Hektik sind schlecht fürs Liebesleben. „Unsere leistungsorientierte Gesellschaft lässt wenig Raum für Zweisamkeit“, sagt Michael Berner. Wer nach dem Job abends völlig erschöpft auf die Couch falle, der habe auch keine Energie mehr für brodelnde Leidenschaft. Auch der Familienalltag mit Kleinkindern biete oft nicht die besten Voraussetzungen für entspannte Stunden zu zweit. „Für viele Paare bringt das erste Kind eine extreme Veränderung mit sich“, sagt der Psychiater und Chefarzt der Rhein-Jura-Klinik in Bad Säckingen. Durch die Betreuung des Nachwuchses bleibe anfangs kaum noch Raum und Zeit für Zärtlichkeiten.

„Sex fängt nicht erst mit dem Koitus an“

In solchen Situationen gewöhnten sich die Partner sozusagen gezwungenermaßen daran, dass sie keinen Sex mehr haben. „Um diesen Lernprozess rückgängig zu machen, erfordert es Aktivität und Engagement von beiden Seiten“, betont Berner. Und: Paare sollten sich von der Vorstellung verabschieden, Sex müsse immer spontan sein. „Wer in einem stressigen Alltag noch erwartet, spontanen Sex zu haben, wird vermutlich sehr wenig Sex haben“, sagt der Experte. Vielbeschäftigten Paaren helfe es daher, Zeit für Zärtlichkeiten einzuplanen und ihnen dadurch Raum zu verschaffen. So könne man beispielsweise einen Abend pro Woche auswählen, an dem man gemeinsam etwas Schönes unternimmt. „Sex fängt ja nicht erst mit dem Koitus an – er fängt damit an, dass man Zeit miteinander verbringt“, betont Berner. Auch ein Wochenende im Hotel, an dem man sich intensiv der gemeinsamen Sexualität widmet, könne die Lust an der Lust wieder wecken.

Oft sind es auch überzogene Ansprüche, die dazu führen, dass man kaum noch miteinander schläft. „Viele Menschen meinen, dass man nur dann Sex haben darf, wenn man gerade total Lust drauf hat“, sagt Diplom-Psychologe Beer. „So viele Dinge in unserem Alltag sind mittelmäßig – aber beim Sex hat man den Anspruch, dass er immer spitze sein soll.“ Es sei wichtig, sich klar zu machen, dass auch Sex oft mittelmäßig sei – und dass das auch nicht schlimm sei. „Sex kann nicht immer so ein Feuerwerk auslösen, wie er es vielleicht zu Beginn der Beziehung getan hat. Aber trotzdem kann er der Beziehung gut tun“, betont Beer. (dapd)