Anfangs war die Entführung des elfjährigen Bankierssohns Jakob von Metzler für die Frankfurter Kripo ein leichter Fall: Sie identifizierte den Täter Minuten nach der Lösegeldübergabe und nahm Magnus Gäfgen noch am selben Tag fest. Er suchte Ausflüchte und behauptete schließlich, dass Jakob noch am Leben sei.
Berlin (dapd-hes). Anfangs war die Entführung des elfjährigen Bankierssohns Jakob von Metzler für die Frankfurter Kripo ein leichter Fall: Sie identifizierte den Täter Minuten nach der Lösegeldübergabe und nahm Magnus Gäfgen noch am selben Tag fest. Er suchte Ausflüchte und behauptete schließlich, dass Jakob noch am Leben sei. Der verantwortliche Vizepräsident der Polizei, Wolfgang Daschner, traf nach einigen Stunden die bis heute umstrittene Entscheidung, Gäfgen als letztes Mittel Schmerzen zufügen zu lassen, um das Kind zu retten. Der ZDF-Film „Der Fall Jakob Metzler“ (Montag, 24. September, 20.15 Uhr) zeigt kurz vor dem zehnten Jahrestag des Verbrechens, in welche Nöte die Familie und die Ermittler gestürzt wurden.
Das Dokumentarspiel ist eine wahrheitsgetreue Rekonstruktion der Ereignisse, die am 27. September 2002 in Frankfurt-Sachsenhausen ihren Lauf nahmen und zur erregten „Folterdebatte“ führten. Trotz oder gerade wegen des Verzichts auf emotionale Effekte ist es ein sehr eindringliches, spannendes und zur Auseinandersetzung zwingendes Drama geworden. Regisseur Stephan Wagner fokussierte sich auf die „Geschichte des Scheiterns im Ringen um die Wahrung moralischer Werte“.
Von den Schauspielern verlangte er, „sich im Höchstmaß der Rolle unterzuordnen“. Das haben sie auch geschafft. Sie lassen den Zuschauer oft vergessen, dass es sich um eine Inszenierung handelt. Hauptdarsteller Robert Atzorn verkörpert absolut stimmig die Erscheinung und den Ausdruck Daschners. „Das ist nicht Robert Atzorn, wie wir ihn kennen“, sagte Wagner. Der frühere Hamburger „Tatort“-Kommissar spielt den Polizeivizepräsidenten, dem die Last der Verantwortung und nervenzerreißende Spannung anzusehen ist. Er muss, er will etwas tun und trifft seine umstrittene Entscheidung, lässt sich auch nicht dadurch beirren, dass eine Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft in dem Moment nicht möglich ist.
Der Film jedoch wurde mit der Maßgabe gedreht, dass er keine Meinung vertritt. Dennoch provoziert er Mitgefühl mit dem Menschen Daschner, der auch im häuslichen Umfeld mit seiner Ehefrau gezeigt wird. In einer Szene nach dem Prozess im Dezember 2004 sagt Jakobs Vater (ihn spielt Hanns Zischler) zu ihm: „Wir wollen bei Ihnen sein, aber uns wurde gesagt, das würde Ihnen schaden.“ Robert Atzorn macht aus seiner Sympathie für Daschner keinen Hehl. „Ich persönlich hätte wahrscheinlich genauso gehandelt“, sagte er.
Daschner, seit 2008 pensioniert, ist bis heute von der Richtigkeit seiner Entscheidung überzeugt, wie er dem Autor des Dokumentarspiels, Jochen Bitzer, sagte. „Dass er dafür schuldig gesprochen wurde, trifft ihn immer noch. Doch er wirkt, als habe er sich ein wenig damit abgefunden.“ Das Landgericht Frankfurt hatte ihn wegen Verleitung eines Untergebenen zur Nötigung für schuldig befunden, aber nur eine Verwarnung ausgesprochen und sich für den Fall eines Bewährungsverstoßes vorbehalten, eine Geldstrafe zu verhängen.
Der Vater des entführten Kindes, der Bankier Friedrich von Metzler, stellte sich der schmerzlichen Erinnerung und gab dem Autor genaue Auskunft darüber, wie seine Familie und er die Tage der Ungewissheit erlebt hatten. „Er sagte, es sei von hoher gesellschaftlicher Bedeutung, dass diese Geschichte erzählt würde“, berichtete Bitzer. Sylvia von Metzler wollte jedoch nicht mehr darüber sprechen. Im Film wird sie dargestellt von Jenny Schily. Ungewöhnlich ist, dass die Bankiersfamilie Dreharbeiten vor ihrer Villa erlaubte.
Der wegen Nötigung Gäfgens schuldig gesprochene, aber wie Daschner nur verwarnte Kriminalhauptkommissar Ortwin Ennigkeit hat für den Film sein Buch zur Verfügung gestellt. Ihn spielt Uwe Bohm mit einer unterschwelligen Aggressivität. Die entscheidende Verhörszene, in der er Gäfgen (Johannes Allmayer) am Morgen des 1. Oktober 2002 zum Geständnis bringt, fehlt in dem Film, weil sie nicht objektiv rekonstruierbar war. „Wir wissen alle nicht, was passiert ist“, erklärte Bitzer.
Auf die Sichtweise des verurteilten Mörders Gäfgen hat man völlig verzichtet. Laut ZDF hat es von ihm keinen Versuch gegeben, den Film zu verhindern. 2006 hatten das ZDF und die Produktionsfirma teamWorx begonnen, das Projekt unter Geheimhaltung vorzubereiten.
dapd