Der ZDF-Spielfilm „Das Kindermädchen“ (20.15 Uhr) beschäftigt sich am Montag mit einem dunklen Kapitel deutscher Geschichte: Der NS-Zeit, in der sowjetische Mädchen Zwangsarbeit in deutschen Haushalten leisteten. Der Film basiert auf einem Roman und gibt Einblicke in eine schwierige Familiengeschichte.
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Aus der Heimat verschleppt, von deutschen Familien ausgebeutet: Der ZDF-Spielfilm „Das Kindermädchen“ (heute, 20.15 Uhr) erinnert an Zehntausende sowjetische Mädchen, die Anfang der 40er Jahre als Zwangsarbeiterinnen in Nazi-Haushalten geknechtet wurden. Ein Kapitel deutscher NS-Geschichte, das noch immer unterbelichtet ist.
Natalja kommt 1941 aus dem besetzten Kiew nach Berlin. Eine von vielen Millionen Zwangsarbeitern, die während des Krieges im deutschen Reich das Wirtschaftsleben in Gang halten. Weil das junge Mädchen zu schwach ist für die Arbeit in der Rüstungsindustrie oder in der Landwirtschaft, landet Natalja als Kindermädchen im Haushalt der Zernikows.
Für Natalja ist es das Todesurteil
Irene von Zernikow ist eine stramme Nationalsozialistin, ihr Sohn Utz aber freundet sich mit dem ukrainischen Mädchen an. Das geht nicht lange gut. Der Junge verrät die Freundin aus kindlicher Feigheit, für Natalja ist es das Todesurteil. Das Kindermädchen wird abgeholt, ihre Spur verliert sich im Bombenhagel der letzten Kriegsmonate. In der Villa der Zernikows aber geht das Leben weiter: Utz wird ein erfolgreicher West-Berliner Anwalt, seine Tochter Sigrun will Jahrzehnte später Berlins erste Innensenatorin werden.
Da taucht auf einmal eine alte Dame aus Kiew auf. Es ist Nataljas Freundin. Sie will Utz einen Brief übergeben – trifft an der Zernikowschen Villa aber nur auf dessen künftigen Schwiegersohn Joachim Vernau. Ein Aufsteiger aus kleinen Verhältnissen, aber mit ehrlichem Kern. Vernau will wissen, was die russischen Zeilen bedeuten – und warum die Besucherin aus Kiew am nächsten Morgen tot ist.
Natalja Tscherednitschenkowa ist eine fiktive Figur. Doch die Berliner Autorin Elisabeth Herrmann hat in Kiew mit mehreren Ukrainerinnen gesprochen, die als junge Mädchen Zwangsarbeiterinnen bei deutschen Familien waren. Aus den Berichten machte sie ein Buch – Nataljas Geschichte, verpackt in eine Krimi-Handlung. „Das Kindermädchen“ wurde ein Bestseller. Das ZDF hat die Geschichte nun verfilmt. Jan Josef Liefers spielt den Aufsteiger Joachim Vernau, der kurz vor der Hochzeit mit Sigrun von Zernikow (Natalia Wörner) in die Abgründe seiner künftigen Familie schaut.
Ein schwacher, zutiefst menschlicher Held
Hinter der elitären Fassade aus Standesdünkel und Traditionshuberei kommt eine Sippe zum Vorschein, die buchstäblich über Leichen geht. Die Sache hätte schief gehen können. Wer über NS-Verbrechen aufklären möchte und gleichzeitig seine Zuschauer mit Mord, Intrige und Beziehungskrise unterhalten will, landet schnell in der Banalitätsfalle. Schlimmer: Er läuft Gefahr, die Opfer des 20. Jahrhunderts für die TV-Unterhaltung des 21. zu missbrauchen.
Doch „Das Kindermädchen“ hält die Balance – und leistet sich einen schwachen, zutiefst menschlichen Helden: „Kindermädchen?“ fragt Joachim Vernau am Anfang. „Das ist doch keine Zwangsarbeit!“ Jan Josef Liefers spielt diesen Aufsteiger bis zum Ende eher als zögerlichen Aufklärer und nicht als obersten Richter der Zernikows. Vernau macht das Lächerliche und Groteske dieser Familienruine sichtbar, verliert manches Mal die Übersicht über Gut und Böse, stellt aber am Ende die richtigen Fragen.