Ein kleines Mädchen liegt tot am Rande eines zugefroren Sees, und der Vater sitzt ein paar Kilometer weiter blutend im Schnee, weil er sich das Leben nehmen wollte. Das Tatort-Szenario ist besonders düster geraten. Autor und Regisseur Miguel Alexandre lässt Katja Riemann auf Simone Thomalla prallen.
Leipzig.
Frühling und Sommer hatten wir noch gar nicht, da ist schon wieder Winter. Zumindest über dem Leipziger Tatort „Die Wahrheit stirbt zuerst“ (ARD, Sonntag, 20.15 Uhr) liegt dicker Frost, und Eva Saalfeld (Simone Thomalla) und Andreas Keppler (Martin Wuttke) stapfen mit warmen Jacken und Wollmützen durch den verschneiten Wald – so unmittelbar vor der Tatort-Sommerpause gewiss ein gewöhnungsbedürftiger Anblick.
Passt aber andererseits auch zur düsteren Stimmung: Ein kleines Mädchen liegt tot am Rande eines zugefroren Sees, und der Vater (Pasquale Aleardi) sitzt ein paar Kilometer weiter blutend im Schnee, weil er sich das Leben nehmen wollte. Sieht so aus, als ob er seine Tochter umgebracht hat; die Mutter (Anne Ratte-Polle), die sich von ihm getrennt hatte und mit ihrem neuen Lebensgefährten samt Kind ins Ausland ziehen wollte, ist da ziemlich sicher. Aber wenn’s so einfach wäre, könnte man kaum anderthalb Stunden damit füllen.
Superschnoddrige Tusse
Besondere Würze erhofft man sich freilich vom zu erwartenden Zickenalarm. Autor und Regisseur Miguel Alexandre lässt Katja Riemann auf die Thomalla prallen. Doch die Damen fauchen nur mal kurz und ziehen die Krallen ziemlich schnell wieder ein.
TatortRiemann, die’s ja eigentlich kann, muss aus ihrer BKA-Agentin Linda Groner eine superschnodderige Tusse machen, die sich zuweilen an der Grenze zur Karikatur bewegt. Gegen eine mäßig begabte Simone Thomalla, die den bösen Blickt übt, reicht’s natürlich allemal.
Zwischen den beiden muss der wie immer großartige Martin Wuttke mit seiner unverschämten Präsenz die Balance wahren: Keppler hatte vor Jahren in Wiesbaden mal was mit Linda, und die pfuscht ihm und seiner Ex-Frau Eva nun auch noch frech in die Ermittlungen rein, weil der Stiefvater des toten Kindes in unsaubere Geschäfte in Afrika verstrickt ist.
Ein bisschen Sozialdrama, ein bisschen Politkrimi
Da ist viel unterwegs, ein bisschen Sozialdrama, ein wenig Politkrimi; die Thomalla muss auch gleich zu Beginn mal – im Leichenwagen auf dem Weg zum Krankenhaus! – einen Liter Blut abgeben, damit ihr Hauptverdächtiger überlebt, und der hat nichts besseres zu tun, als sich später nochmal an die Pulsadern zu gehen. Die beiden Ermittler rücken angesichts der impertinenten, blonden Konkurrenz eng zusammen und werden vom Chef abgemeiert, wie man das in Krimis kennt.
Aber irgendwie tritt die Geschichte zu lange auf der Stelle und gewinnt auch aus den persönlichen Konflikten der Beteiligten nur ungenügenden Reiz. Wer nach dem Positiven in diesem Durchschnitts-Tatort fahndet – bitte schön: Die Auflösung des Falls ist doch ziemlich überraschend.
Immerhin.