Uden.
Das rot gestreifte Zelt gibt’s ab 30 000 Euro, die Zuckerwattenbude ab 270, und die rot-goldene Jacke, wie der Herr Direktor eine trug, kommt ab 250 Euro unter den Hammer. Hereinspaziert, hereinspaziert, in den Niederlanden wird ein ganzer Zirkus versteigert. Manege frei für den Auktionator!
Zehn rote Stühle: ab 50 Euro
Wilde Tiere sind im niederländischen Zirkus schon länger verboten, aber Pferde waren noch da – und dann klebte das Finanzamt den Kuckuck auf das ganze schöne über 100 Jahre alte Traditionsunternehmen: den Circus Herman Renz. 130 000 Euro Steuerschulden hatte der bis zum vergangenen Herbst aufgehäuft, am 13. Oktober zog der Gerichtsvollzieher den Vorhang zu. „Welt der Wunder“ hieß die letzte große Show, doch ein Wunder half nicht mehr: „Hochverehrtes Publikum“, heißt es unter „Neuigkeiten“ auf der Internetseite des selbst ernannten Niederländischen Nationalzirkus, leider müsse man die Tournee „abrupt und vorzeitig beenden“, ohne Abschied nehmen zu können.
So kommt es, dass auf einer Wiese im Dörfchen Uden im Osten Brabants der ganze Zirkus nun noch einmal aufgebaut wurde – als Verkaufsausstellung, sozusagen. Zelte, Wohnwagen, Kassencontainern sind zu besichtigen, das höhenverstellbare Orchesterpodium (1350 Euro), der Sockel, auf dem die Tiere ihre Kunststückchen zeigten. Rote Logenstühle (zehn zu 50 Euro) stehen da, die Popcornmaschine, Kisten mit Gerümpel, Scheinwerfer, der weiße Zaun und: ein rotes Schränkchen aus dem Toilettenwagen, auf dem das Publikum sein Kleingeld hinterließ. Dazu 22 Sattelauflieger, um alles zu transportieren, was die Zirkusfamilie selbst „eine große reisende Stadt“ nannte.
Die würde das Auktionshaus am liebsten in Gänze unters fahrende Volk bringen. „Wir tun alles“, sagt Auktionator Martijn van Schie, „um sicherzustellen, dass sämtliche Elemente zusammenbleiben, damit ein schöner, neuer und vor allem kompletter Zirkus entsteht.“ Angeblich gibt es Interessenten, aus Deutschland, Dänemark, Frankreich, aber auch schon viele Einzelgebote. „Wir finden“, so Martijn van Schie, „dass der Zirkus ein neues Leben verdient hat, irgendwo auf der Welt.“ Gesucht wird ein Liebhaber, der alsbald auf Tournee gehen möge.
Normalerweise macht der Onlineversteigerer in Landwirtschaft und Bauindustrie, ist nach eigenen Angaben spezialisiert auf Objekte aus Firmenbesitz: Büroschränke eher als Büdchen für Eis und Popcorn. Dass das Unternehmen „Troostwijk“ heißt, wird Zirkusliebhaber kaum trösten: „Viele Menschen“, weiß der Auktionator, „müssen sich jetzt von geschichtsträchtigen Teilen verabschieden.“ Das sei „emotional“ – nicht nur für die knapp 70 Mitarbeiter und Artisten, die Renz entlassen musste.
Zeltanlage ist gerade neu
Zu kämpfen hatte der Zirkus, der nur vom Namen her verwandt ist mit dem deutschen Zirkus Renz, schon seit Jahrzehnten. Immer wieder war die Zirkusfamilie an der Pleite vorbei geschrammt. Der letzte Herman Renz verstarb vor 20 Jahren an einer Kohlenmonoxid-Vergiftung in seinem Wohnwagen. Nach einem Erbstreit übernahm Familie Steijvers, der Manege schon lange Jahre verbunden. Sie gewann Preise, investierte erst 2014 in eine neue Zeltanlage. Doch Besucherschwund und steigende Kosten trieben das Unternehmen in den Ruin. „Wir glauben, dass die Magie des Circus Herman Renz nie verloren gehen wird“, schrieben die Steijvers trotzdem auf ihre Internetseite, die bis heute besteht und Öffnungszeiten angibt.
Nach längerer Stille tauchte Milko Steijvers diese Woche wieder auf: Der ehemalige Zirkusdirektor arbeitet jetzt wieder als Clown – angestellt in einem Urlaubspark auf der Insel Texel. Den Namen „Herman Renz“ hat er dafür vermietet, obwohl der auf Leuchtreklamen und T-Shirts in Uden gerade mitversteigert wird. Der Clown, der einmal Chef war, findet seinen neuen Ferienjob „herrlich“. „Von nun an gucke ich nur noch nach vorn.“