Nach dem Vorbild der US-Kinokomödie „Project X“ luden zwei junge Franzosen Tausende Unbekannte via Facebook in eine Ferienvilla an der Côte d’Azur. Die wilde Party endete in Chaos und Verwüstung. Jetzt verurteilte ein Gericht die beiden Männer zu Haft- und Geldstrafen.
Paris.
Mit der schicken Villa an der Côte d’Azur wollten sich die Sprongs aus Hollande einen Lebenstraum erfüllen. Jetzt stehen sie buchstäblich vor einem Trümmerhaufen. Das Unfassbare passiert am 19. Mai. Eine wilde Party in ihrem Ferienhaus, organisiert über das Soziale Netzwerk Facebook, mündet in einer Katastrophe: Fensterscheiben gehen zu Bruch, Möbel und Matratzen landen im Pool, Waschbecken werden abgerissen, alles, was nicht niet- und nagelfest ist, wird geplündert.
Jetzt hat eine Strafkammer in Draguignan die Übeltäter, zwei junge Franzosen, wegen „gemeinschaftlicher Sachbeschädigung“ bestraft: zu je einem Jahr Gefängnis, davon sechs Monate hinter Gittern, und zu 20.000 Euro Geldstrafe zur Wiedergutmachung. Ein Zivilprozess folgt im Dezember.
600 bis 1200 „Gäste“ im Teenageralter
Einer der Verurteilten, ein 22 Jahre alter Gärtner, nennt sich bei Facebook „Allan“. Er und sein arbeitsloser Freund sind fasziniert von der amerikanischen Komödie „Project X“, die wenige Wochen zuvor im Kino lief. Teenager nutzen darin aus, dass die Eltern nicht zu Hause sind. Doch die Party in der „sturmfreien Bude“ endet in einer Orgie aus Gewalt, Drogen und Zerstörung.
Der Vorfall an der Côte d’Azur ist der erste dieser Art in Frankreich. In den USA hingegen hat der „Project X“-Film bereits etliche Nachahmer gefunden. Auch hier dasselbe Bild wie in Südfrankreich: 500, 1000, in einem Fall sogar 2000 Partygäste folgen dem Aufruf über Facebook oder Twitter. In einem Fall, in Houston (Texas), kommt am 13. März ein Jugendlicher ums Leben. Als die Polizei die Party beenden will, greift ein Gast zur Pistole und feuert offenbar aus Versehen einen tödlichen Schuss ab.
Auch in Deutschland gab es erste Aufrufe zu Partys nach dem Film-Vorbild: Bei Facebook kursierten beispielsweise Einladungen zu „Monsterpartys“ zum Ferienanfang am 6. Juli in Essen und Düsseldorf. In beiden Fällen wurden die Partys jedoch im Vorfeld von der Stadt verboten.
Die Fiktion im US-Film und die Wirklichkeit in der Villa Sprong – sie liegen nicht sehr weit auseinander. „Allan“ mietet die Villa über eine Agentur vor Ort, die im Auftrag der Sprongs handelt. Die 500 Euro für die Miete haben „Alan“ & Co schnell wieder in der Tasche. Denn an diesem Abend strömen nach Schätzungen der Polizei etwa 600 bis 1200 junge Menschen zu der Villa an der azurblauen Küste. Die meisten sind zwischen 16 und 20 Jahre alt.
Wilder DJ, Striptease – und das Motto: „No Limit“
Die einzige Spielregel des Abends: jeder bringt eine Flasche Alkohol mit und zahlt zwei Euro Eintritt. Die Gegenleistung: Drinnen erwarten sie ein „wilder DJ“, Striptease-Tänzerinnen und lauter gleich gesinnte Gäste. Wer am Eingang etwa das „Schicksals-Armbändchen“ überstreift, gibt sichtbar zu erkennen: Ich will heute Abend flirten. Auf einem Flyer geben die Veranstalter die ausgelassene Parole dieses Katastrophen-Abends aus: „No Limit“.
Nachbarn begreifen sehr schnell, dass in der ansonsten sehr ruhigen Villa etwas aus dem Ruder läuft. Die meisten Partygäste kommen aus der Umgebung, manche reisen sogar von weither an: aus Marseille, Nizza, ja sogar aus Lyon und dem fernen Paris. Als Dutzende Autos die Straßen im Viertel versperren und sich der Lärmpegel ins Unerträgliche steigert, alarmieren genervte Anwohner die Gendarmerie im benachbarten Fréjus.
Angeklagter zeigte sich uneinsichtig
Der Einheit, die um 23 Uhr eintrifft, bietet sich ein apokalyptisches Bild. Die Straßen sind bevölkert mit Jugendlichen, die sich hemmungslos betrinken oder mit anderen Substanzen zudröhnen. Die Polizisten werden zugleich Zeugen einer beunruhigenden Metamorphose. Die „Project X“-Fans haben sich verwandelt: aus einfachen Kinogängern sind Darsteller eines echten Spektakel geworden. Drinnen hat die wahnsinnige Mega-Party bereits ihren traurigen Höhepunkt erreicht: Die Villa ist komplett geplündert. Den Schaden beziffert die Polizei später mit 80.000 Euro.
Der 22-jährige Angeklagte bestreitet vor Gericht, finstere Absichten gehabt zu haben, als er die Villa mit Pool mietete. Auch die Partygäste nimmt er in Schutz. Doch der Staatsanwalt kauft ihm die aufgetischte Version nicht ab. Das erklärte Ziel der Party sei der Rausch gewesen, erwidert er und fügt hinzu: „Am Ende war alles zerstört.“ Der Ankläger pocht auf fünf Jahre Gefängnisstrafe und 75.000 Euro Geldstrafe.
Wie uneinsichtig und von sich eingenommen der Angeklagte ist, verrät er in den Tagen nach der Skandal-Party. Einer Lokalzeitung gibt er freimütig Interviews und rühmt sich darin, dass das ausgeflippte Partyvolk ständig seinen Namen skandierte.