Immer mehr Menschen wagen die Flucht aus der Heimat: Über 3,3 Millionen Geflüchtete leben in Deutschland. Viele Kommunen sind angesichts steigender Geflüchtetenzahlen überlastet, fordern Unterstützung vom Bund. Markus Söder (CSU) verlangt währenddessen eine Obergrenze (mehr dazu hier), Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) möchte in der Asyl-Politik verschärfte Grenzkontrollen.
Mittendrin in der Migrationsdebatte findet sich Adib Hazem wieder. Der 28-Jährige lebt seit vier Monaten in einer Geflüchtetenunterkunft in Lübeck. Ursprünglich stammt er aus Aleppo und musste aufgrund des Krieges seine Heimat verlassen. Im Gespräch mit dieser Redaktion berichtet er, wie er die aktuelle Debatte wahrnimmt.
Asyl: „Der Weg nach Deutschland ist sehr gefährlich“
Zunächst ist Hazem gemeinsam mit seiner Frau von Syrien in die Türkei geflohen. Doch dort wurden sie mehrfach rassistisch angegriffen. Seine Frau kehrte nach Aleppo zurück – Hazem selbst könne das nicht, da er sonst in den Wehrdienst eintreten müsste. Und: „Der Weg nach Deutschland ist sehr gefährlich, viele Schlepper verhalten sich wie die Mafia, und man kann ihnen nie vertrauen. Der Weg wird bei uns als der ‚Weg des Todes‘ bezeichnet, meine Frau hätte das nicht geschafft.“
+++ Das plant die Ampel in der Asyl-Politik +++
Der gelernte Schneider ist froh, in Deutschland sicher leben zu dürfen. „Ich bin nach Deutschland gekommen, weil hier alle Menschen als Menschen behandelt werden und gleiche Rechte haben“, erzählt er. Auch wird der 28-Jährige von der Diakonie in Lübeck unterstützt, beispielsweise beim Ausfüllen von Anträgen. Denn die deutsche Bürokratie kann den ein oder anderen vor große Hürden stellen. Laut seiner Aussage dauere das Asylverfahren in Deutschland länger als in anderen europäischen Ländern. „In anderen Ländern beginnen Geflüchtete schneller mit dem Sprachen lernen oder der Arbeit, während wir hier noch auf Termine warten müssen“, betont Hazem.
Geflüchtete sollen schnell in Arbeitsmarkt integriert werden
„Wir appellieren seit Jahren an die Politik, dass Menschen, die nach Deutschland kommen und absehbar länger hier sein werden, so schnell wie möglich in Arbeitsprozesse integriert werden“, sagte Diakonie-Präsident Ulrich Lilie dem Evangelischen Pressedienst.
Die Bundesregierung plant derzeit, den Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylsuchende zu erleichtern. Vorwürfe, die Pläne zur schnelleren Integration in den Arbeitsmarkt stellten einen Anreiz für illegale Zuwanderung dar, wies Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zurück. Denn die Regelung werde nur „rückwirkend“ für jene greifen, die bis Dezember 2022 nach Deutschland gekommen seien, sagte er. Eine schnellere Integration in den Arbeitsmarkt sei von Vorteil für alle Beteiligten. „Die Leute sollen selber ihr Geld verdienen“, sagte der Grünen-Politiker dem ARD-„Morgenmagazin“.
Selbst Geld verdienen und so schnell wie möglich arbeiten, möchte auch Hazem. Durch einen fehlenden Aufenthaltstitel sei der 28-Jährige die erste Zeit arbeitslos gewesen. „Ich finde es schade, sowohl für uns als auch für Deutschland. Denn wenn wir schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden können, werden wir alle davon profitieren“, betont er. Aktuell wartet er auf einen Termin beim Jobcenter, nachdem er jetzt einen Aufenthaltstitel für ein Jahr besitzt.
Asyl: „Sozialleistungen reichen kaum zum Leben“
Häufig wird Geflüchteten vorgeworfen, aufgrund von Sozialleistungen nach Deutschland zu kommen. „Wir müssen uns darauf konzentrieren, die Anreize unseres Sozialsystems zu reduzieren“, sagte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) der „Rheinischen Post“. Zuletzt trieb Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) die Debatte auf die Spitze, als er behauptete, Geflüchtete würden hierher kommen, um sich beim Zahnarzt die Zähne machen zu lassen.
Doch Adib Hazem mahnt: „Das ist Quatsch, denn die Sozialleistungen, die wir erhalten, reichen kaum zum Leben aus. Wie sollen wir dann noch Bürgergeld sparen, um in die Heimat zurückzukehren?“ Das Geld reiche kaum für Essen und Trinken aus.
Um die irreguläre Migration zu begrenzen, fordert die FDP, dass es für
Geflüchtete statt Bargeld Sachleistungen geben soll. „Solche Maßnahmen könnten vielleicht andere Asylbewerber betreffen, die nicht aus Kriegsländern kommen“, so Hazem, „aber für Menschen wie mich aus Syrien wird diese Maßnahme nichts ändern, denn der Krieg dauert immer noch an, und wir können nicht nach Aleppo zurückkehren.“ Um die Migration nach Deutschland zu begrenzen, müsse der Krieg beendet werden. Denn: „Geflüchtete aus Syrien oder aus dem Irak werden weiter nach Europa und nach Deutschland kommen, egal ob sie Sachleistungen oder Bargeld bekommen werden“, so Hazem.