Etwa 1,1 Millionen Menschen sind im Konzentrationslager (KZ) Auschwitz gestorben. Die meisten wurden durch die Nazi-Schergen ermordet, vielfach bereits kurz nach der Ankunft. Andere starben durch Hunger, Krankheiten, Zwangsarbeit oder fürchterliche medizinische Experimente. Vor 80 Jahren – am 27. Januar 1945 – wurde das KZ Auschwitz befreit.
Anlässlich des Jahrestages erinnerte Bundeskanzler Olaf Scholz auf dem Kurznachrichtendienst „X“ an die Auschwitz-Befreiung. Für einen deutschen Regierungschef ist ein solcher Beitrag quasi Pflicht – umso mehr vor dem Hintergrund, dass sich aktuell ein politischer Rechtsruck vollzieht. Dieser wird auch unter dem Scholz-Post deutlich. Doch wütende Kommentare kommen auch aus einer anderen Richtung.
Auschwitz-Befreiung: Scholz-Statement stößt auf Wut und Hetze
Unter einem Schwarzweiß-Foto, das den Eingang des Konzentrationslagers Auschwitz im heutigen Polen kurz nach der Befreiung zeigt, schreibt Kanzler Scholz auf X: „Söhne und Töchter, Mütter und Väter, beste Freunde, Nachbarn, Großeltern: Mehr als eine Million Menschen mit Träumen und Hoffnungen wurden in Auschwitz ermordet, ermordet von Deutschen. Wir fühlen mit und erinnern. Wir dulden kein Vergessen, nicht heute und nicht morgen.“
+++ Auch lesenwert: AfD: Polens Regierungschef warnt vor Musks Aussagen – „Klingt bedrohlich“ +++
In der Kommentarspalte geschieht, was zu erwarten war. In Hunderten von Äußerungen kommen Hass, Hetze und Antisemitismus zum Ausdruck. Mehr noch: Teils werden Opfer-Zahlen heruntergespielt, wird der Holocaust an sich in Zweifel gezogen, ein Ende des angeblichen „Schuld-Kults“ gefordert. Das Erinnern an den industriellen Massenmord der Nazis wird auf unerträgliche Weise in einem Atemzug erwähnt mit Olaf Scholz‘ Erinnerungslücken bezüglich des „Cum-ex“-Finanzskandals. Putin-Befürworter ätzen, dass Deutschland heute einen „Wirtschaftskrieg“ gegen Russland führe, obwohl das KZ Auschwitz doch maßgeblich von russischen Soldaten befreit wurde. Unerwähnt bleibt, dass die Sanktionen der EU daher rühren, dass Russland mit seinem Angriffskrieg auf die Ukraine Völkerrecht gebrochen hat, seit bald drei Jahren für Leid und Zerstörung verantwortlich ist.
Juden beklagen fehlende Benennung der NS-Opfer
Doch es sind längst nicht nur Scholz-Gegner und rechte Schreihälse, die unter dem Auschwitz-Post des Kanzlers die Diskussion bestimmen. Es melden sich auch zahlreiche X-Nutzer zu Wort, sie sich auf ihren Profilen als Juden zu erkennen geben oder zumindest als Unterstützer jüdischer Belange. Doch nur die wenigsten von ihnen begrüßen Scholz‘ mahnenden Appell. Vielmehr werfen sie dem Regierungschef vor, die ermordeten Juden nicht als solche zu benennen.
+++ Umfrage-Schock für Scholz: SPD-Wähler fallen ihm in den Rücken – und stehen hinter Merz +++
Nun ist es so, dass sich unter den in Auschwitz Ermordeten auch schätzungsweise 180.000 Polen, Sinti und Roma, sowjetische Kriegsgefangene sowie Häftlinge aus anderen Ländern befanden. Doch zweifellos stellen die Juden mit etwa 960.000 Opfern die mit Abstand größte Gruppe dar. Ein Umstand, dessen deutliche Erwähnung offenbar viele Juden auch vom Bundeskanzler erwartet hätten. „Und wer waren diese Menschen? Rund eine Million von ihnen waren Juden“, betont eine X-Nutzerin, bevor sie weitere Opfergruppen auflistet und mit dem Scholz-Post noch in anderer Hinsicht ins Gericht geht. Es seien nicht nur jüdische Freunde und Nachbarn ermordet worden, sondern: „Verraten an die Nazis von ihren Nachbarn. Nicht geschützt von ihren ‚Freunden'“.
80 Jahre nach Auschwitz: „Jüdisches Leben wieder in Gefahr“
Ein anderer X-Nutzer stimmt zu. Er antwortet in Richtung Scholz: „Die dort ermordeten Menschen, deren Personengruppe Sie hier zu benennen zu umschiffen versuchen, waren überwiegend Juden.“ Eine andere Nutzerin sieht das ähnlich. Sie wirft Scholz vor, den Juden „die Namen oder Zugehörigkeit zu nehmen, Gewalt gegen sie totzuschweigen, sowie die Täter nicht zu benennen“. Dies sei ein erstes Zeichen für eine erneute Ausgrenzung. Noch ein Beitrag mit demselben Tenor: „Vermeiden Sie das Wort ,Juden‘ aus Rücksicht auf die Antisemiten in der SPD?“ Und noch einer: „Der zweite Gedenkpost ohne die Benennung der vernichteten 960.000 Juden. Muss man auch erstmal hinbekommen.“
Mehr News:
Damit bekommt die Diskussion auf X immer mehr Bezüge zur aktuellen Politik in Deutschland. Eine Frau wirft dem Kanzler vor: „Wie kann man nur so heuchlerisch sein, Anti-Israel-Demos zu dulden, und jetzt so zu reden? Jüdisches Leben ist dank der Regierung in Deutschland wieder in Gefahr!“ Eine andere Frau wird konkreter. Sie kommentiert Scholz‘ Post zur Auschwitz-Befreiung so: „Wie heuchlerisch. Eine solche Aussage zu tätigen, während Judenhasser laut schreiend und unbehelligt durch Berlin und Unis ziehen.“
Kommentare, in denen Scholz Zuspruch erfährt, finden sich unter dem X-Post nur sehr vereinzelt. Mit seinem Post, in dem er die Opfer des KZ Auschwitz nicht konkret benennt, hat der Kanzler offenbar nicht einmal jene erreicht, die unter dem Rassenwahn der Nazis zahlenmäßig am meisten gelitten haben: die Juden.