Gelsenkirchen.
Die Deutsche Bahn AG spricht ganz offen von einem „herben Schlag“; der Verkehrsverbund Rhein Ruhr (VRR) verspricht seinen Kunden bessere Qualität; Franzosen und Niederländer haben einen dicken Fisch in Deutschlands dichtestem Ballungsraum an Land gezogen; Bahnfahrer an Rhein und Ruhr können sich auf neue Waggonfarben freuen und einen 15-Minuten-Takt: Es ist wohl ein Erdbeben im NRW-Nahverkehr, das der VRR am Donnerstag ausgelöst hat.
11,9 Millionen Zugkilometer, das zentrale S-Bahn-Netz und damit ein Viertel der gesamten jährlichen Verkehrsleistung des Verbundes werden ab Dezember 2019 nicht mehr von der Bahn AG, sondern von Abellio und Keolis betrieben, beides Ableger zweier Staatskonzerne aus dem benachbarten Ausland. Die niederländische Abellio sicherte sich den Zuschlag für die Linien S2, S3, S9, RB3, RB40 und RB41 mit 7,1 Millionen jährlichen Zugkilometern.
Keolis, Tochter der französischen SNCF, kommt bei den Linien S1 und S4 (rund 4,8 Millionen Kilometer) zum Zuge. Die Bahn AG, die bislang sämtliche Linien fuhr, betreibt weiter die beiden ins Rheinland reichenden Linien S6 und S11. Deren Vertragslaufzeit wurde freilich nur bis 2023 verlängert. Die Neuverträge mit Abellio und Keolis haben dagegen eine Laufzeit von zwölf Jahren. Rechtsgültig wird die Entscheidung nach einer zehntägige Einspruchsfrist.
Die Deutsche Bahn AG reagierte gestern verschnupft. Erneut geht das Staatsunternehmen im NRW-Nahverkehr leer aus. Der Marktanteil des einstigen Monopolisten dürfte in diesem Segment deutlich unter 50 Prozent rutschen. „Wir haben hart um den Erfolg in dieser Ausschreibung gekämpft“, teilte die NRW-Zentrale in Düsseldorf in dürren Zeilen mit. Man werde alles dafür tun, gute Beschäftigungsperspektiven für die betroffenen Mitarbeiter in der Region zu sichern und das regionale Know-how der Eisenbahner für den Ballungsraumverkehr an Rhein und Ruhr zu erhalten. Nur auf Anfrage konkretisierte die Konzernpresseabteilung, was gemeint ist: Rund 250 Mitarbeiter von DB Regio seien direkt betroffen.
Bereits beim letzten Großauftrag war die Bahn vom VRR aufs Abstellgleis geschoben worden. Denn schon beim Rhein-Ruhr-Express RRX gab der Verkehrsverbund privaten Anbietern den Vorzug. Den prestigeträchtigen Schnellzug setzen National Express und ebenfalls Abellio auf die Schiene.
VRR-Vorstandschef Martin Husmann ließ gestern kaum Spielraum für Interpretationen darüber, wieso auch die S-Bahn-Entscheidung zum Nachteil der Bahn ausfiel. „Erneut haben sich im Wettbewerbsverfahren erfreulicherweise Anbieter mit wirtschaftlichen und verlässlichen Angeboten durchgesetzt“, begründete Husmann den Beschluss des VRR-Vergabegremiums. Hoffnung machen konnte der VRR-Chef den betroffenen Bahnmitarbeitern. Verhandlungen zur Übernahme des Personals seinen vertraglich festgelegt.