Seit rund einem Monat gibt es das neue Bürgergeld. Hartz 4 ist Geschichte. Doch ist es das wirklich? Zumindest hält das Bürgergeld verschiedene Vorteile bereit: Höhere Regelsätze, Möglichkeiten zur Weiterbildung sowie bessere Hinzuverdienstmöglichkeiten. So schätzt der Paritätische Gesamtverband die bisherige Zeit des Hartz-4-Nachfolgers ein.
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bezeichnete das Bürgergeld als „größte Sozialreform seit 20 Jahren“. Doch der Paritätische Gesamtverband sieht das ganz und gar nicht so: „Es ist im Kern ein ‚Weiter so‘ unter anderem Namen“. Zwar merkt der Verband einige positive Vorteile in der Bildung und Weiterbildung sowie das einjährige Wohnmoratorium an, doch auch diese würden nicht darüber hinweg täuschen, „dass das System Hartz IV nicht überwunden wurde“.
Bürgergeld: „Hartz 4 nicht überwunden“
Denn: Auch beim Bürgergeld werde weiterhin sanktioniert. „Die Erhöhung der Regelsätze ist gerade einmal ein Inflationsausgleich, kein Weg jedoch aus der Armut für Millionen von Menschen“, kritisiert der Paritätische auf Anfrage dieser Redaktion.
Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gibt es beim Bürgergeld neue Chancen auf Arbeit. So sollen Bürgergeldberechtigte gemeinsam mit dem Jobcenter ab dem 1. Juli 2023 einen Kooperationsplan für den individuellen Weg in Arbeit vereinbaren.
Bürgergeld-Vorteile führen nicht aus Armut
Im Gegensatz zum Hartz-4-System, in dem die Vermittlung in Erwerbstätigkeit Vorrang hatte, stehen beim Bürgergeld Weiterbildung und der Erwerb eines Berufsabschlusses im Vordergrund. So sind beispielsweise ein zusätzlicher finanzieller Ausgleich und neue Angebote für Weiterbildungen vorgesehen. „Wer etwa einen Berufsabschluss nachholt, kann statt bisher für zwei nun für bis zu drei Jahre gefördert werden“, so BMAS.
Der Paritätische Gesamtverband begrüßt diese Fortschritte. Aber: „Insgesamt führen die Änderungen nicht zu einer Überwindung des negativen Menschenbildes von Hartz IV und sie führen auch nicht aus der Armut.“
Bürgergeld: Das müsste in Zukunft besser laufen
Auch entflammt rund um das Thema Bürgergeld immer wieder die Debatte, ob sich Arbeit wegen höherer Regelsätze immer noch lohne. Der Direktor des Instituts für Weltwirtschaft, Stefan Kooths, sagte dazu der „Bild am Sonntag“: „Unser Hauptproblem sind fehlende Arbeitsanreize durch ein unübersichtliches System an Abgaben und Zulagen. Das Bürgergeld hat mit diesem Sammelsurium nicht aufgeräumt – eine verpasste Chance.“ Die Zeitung schlussfolgert: „Wer arbeitet, ist der Dumme!“
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Doch nach Ansicht des Paritätischen lohne sich Arbeit mit dem Bürgergeld finanziell immer. „Andere Behauptungen und Rechnungen, die in den vergangenen Wochen kursierten, sind irreführend und faktisch widerlegt“, macht der Verband deutlich. Auch seien fehlende Arbeitsanreize nicht das Problem. Vielmehr sieht der Paritätische im Bürgergeld „eine verpasste Chance, eine menschenwürdige Grundsicherung ohne Sanktionen und in bedarfsdeckender Höhe einzuführen“.
Auch deshalb fordere der Verband eine Abschaffung der Sanktionen. Nach eigenen Berechnungen müsse auch der Regelsatz auf 725 Euro angehoben werden, „um die Bedarfe von Menschen zu decken“.