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Bürgergeld: Jobcenter-Mitarbeiterin packt brisante Interna aus – „Rasen auf Katastrophe zu“

Eine Insiderin spricht aus dem Nähkästchen: Warum es in den Jobcentern chaotisch zugeht und manche Sachbearbeiter selbst Bürgergeld brauchen.

Jobcenter: Eine Insiderin packt aus.
© IMAGO / MiS

Das ist das neue Bürgergeld

Nach der Einigung im Vermittlungsausschuss haben Bundestag und Bundesrat die Einführung des Bürgergelds beschlossen. Damit kann die neue Grundsicherung für Langzeitarbeitslose wie geplant zum 1. Januar in Kraft treten.

Hier spricht eine Jobcenter-Mitarbeiterin aus dem Nähkästchen: Katharina-Sophia Gerking (38) arbeitet als Sachbearbeiterin im Leistungsservice des Jobcenters Hannover. Nun spricht sie ganz offen aus, was alles schief läuft in den Ämtern.

Es ist der Blick auf die andere Seite – wie hart die Lage für die Sachbearbeiter ist. Eine Perspektive, die auch für alle Menschen, die Bürgergeld beziehen, spannend ist.

Bürgergeld: Jobcenter-Mitarbeiterin rechnet schon mit „Chaos“ ab Juli

Gerking sieht schwarz, wenn es um die kommenden Schritte beim Bürgergeld geht. „Jetzt rasen wir wieder auf eine Katastrophe zu“, prognostiziert die Beamtin. Sie spricht über massive Software-Probleme. Obwohl sie sich selbst in der SPD engagiert, sagt Gerking im Interview auf wir-sind-verdi.de: „Den Schnellschuss mit dem Bürgergeld nehme ich dem [Bundesarbeitsminister, Anm. d. Red.] Heil übel. Das wird nämlich genau in so eine Richtung gehen, dass es entweder im Chaos endet oder massiv auf die Gesundheit von Kolleg*innen.“

Ab dem 1. Juli tritt der zweite Teil der Bürgergeld-Reform in Kraft. Dann gelten erhöhte Einkommensfreibeträge, und das zusätzliche Weiterbildungsgeld kommt für Bürgergeld-Bezieher, die eine Ausbildung oder Umschulung beginnen. Gerking befürchtet, dass sie und ihre Kollegen dann „wieder verstärkt mit Taschenrechner und Excel-Listen“ arbeiten müssen, weil die Software nicht rechtzeitig umgestellt werden kann.

Jobcenter: Ein Tennislehrer wird zum Betreuer umgeschult

Doch Technikprobleme sind nicht die einzige Baustelle. Den Jobcentern fehle es auch an Fachpersonal. Zudem würden Kräfte oft schlecht bezahlt und nur befristet eingestellt. In den Jobcentern gebe es kaum ausgebildete Verwaltungsfachangestellte, packt die verbeamtete Insiderin aus. „Wenn bei uns neue Kolleg*innen anfangen, besuchen sie für vier Monate Kurse und haben dann so eine Art Grundwissen. Das ersetzt aber keine dreijährige Ausbildung. Ich kenne einen Tennislehrer, der wurde vom ersten Tag an voll eingesetzt“, so Gerking.

Jobcenter-Mitarbeiter müssen für sich selbst Bürgergeld beantragen

Irre: Die Insiderin weiß sogar zu berichten, dass „nicht wenige“ Kolleginnen und Kollegen so schlecht bezahlt werden, dass sie selbst Bürgergeld beantragen müssen. „Das sind so viele, dass es extra eigene Ansprechpartner*innen im Haus für unsere Kolleg*innen gibt. Allein unter meinen engeren Arbeitskolleg*innen hatten drei Leute selbst mal Leistungen bei uns bezogen.“


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Jobcenter-Sachbearbeiter „selbst am Rande seiner Nerven“

Die Folge: Hoher Druck auf beiden Seiten des Schreibtisches. Man treffe auf Menschen in Existenznot, mit Ängsten vor Terminen und in finanziellen Notsituationen, oft auch mit psychischen Erkrankungen. Aber auch mancher Betreuer sei überfordert und „vielleicht selbst am Rande seiner Nerven“.

Hinzu kommen regelmäßig Bedrohungen von Kunden wie „Pass auf, wenn du nach Hause gehst.“ Einmal wollte ein wütender Mann Gerking mit einem Tacker treffen. Auf der Straße habe sie ein betrunkener Kunde mal angespuckt. Sie gibt der Politik und damit auch ihrer eigenen Partei eine Mitschuld für diese Stimmungslage: „Ich muss aber auch sagen: Es wird von der Politik ein Klima geschaffen, das dazu führt, dass Konflikte sehr schnell eskalieren.“