Ob dieser Auftritt von Christian Lindner bei Caren Miosga ein Befreiungsschlag war? Oder hat der FDP-Chef seine Lage damit noch verschlechtert? Beim Thema Bürgergeld jedenfalls hat er mit einer Aussage eine ziemlich schlechte Figur abgegeben.
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Man könnte auch sagen, Lindner hat für einen ehemaligen Finanzminister eine krasse Wissenslücke beim Thema der staatlichen Grundsicherung abgegeben. Statt um Fakten, ging es ihm scheinbar um Wahlkampfrhetorik auf Kosten von Leuten ganz unten.
Lindner poltert wieder gegen Bürgergeld-Bezieher – mit Fake News
So forderte Lindner, der mit seinen Liberalen in der Ampel-Regierung das Bürgergeld miteingeführt hat, plötzlich die Absenkung des Regelsatzes um 24 Euro. Er sieht Einsparpotenziale, die dem Staat eine Milliarde Euro bringen könnten. Hierbei muss man wissen, dass der Regelsatz 2025 nicht erhöht wird – insofern haben die Empfänger durch die Inflation im kommenden Jahr sowieso bereits weniger Kaufkraft als aktuell. Trotzdem will Lindner zusätzlich kürzen und den Regelsatz von 563 auf 539 Euro absenken.
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Auf den kritischen Einwand von ARD-Moderatorin Caren Miosga, dass hier angesichts der Lebensmittelpreise eine Sozialleistung gekürzt werden würde, entgegnete Lindner: „Die Menschen könnten aber auch arbeiten!“ „Das tun ja die allermeisten“, antwortete Miosga. „Beim Bürgergeld arbeiten die nicht! Bürgergeld, die Leute arbeiten nicht! Und ich habe es so verstanden, dass in unserem Land durchaus auch Arbeitskräfte gesucht werden!“, polterte Lindner zurück. .
Damit suggeriert der FDP-Mann im Prinzip, dass alle Bürgergeldempfänger faul auf dem Sofa liegen und sich von der arbeitenden Bevölkerung aushalten lassen. Was er ausblendet: Ein großer Anteil der Bezieher sind Aufstocker. Durchschnittlich sind aktuell rund 820.000 Bürgergeld-Empfänger erwerbstätig. Das bedeutet, sie erhalten das Bürgergeld zusätzlich zum Lohn, weil ihr Gehalt allein nicht ausreichen würde.
Auch 1,5 Millionen Kinder wären die Verlierer der FDP-Maßnahme
Zur Wahrheit gehört auch: Viele Bürgergeld-Empfänger sind nicht erwerbsfähige Kinder unter 15 Jahren (etwa 1,5 Millionen zum Stichtag 1. August 2024). Auch sie wären die Verlierer, wenn ihren Eltern der Regelsatz gekürzt wird.
Ein weiterer großer Anteil (laut Bundesregierung sind es etwa 40 Prozent) der erwachsenen Bürgergeld-Empfänger steht zudem aktuell dem Arbeitsmarkt nicht oder nur bedingt zur Verfügung, weil sie sich z.B. in Ausbildung bzw. Studium befinden, Angehörige pflegen, als Alleinerziehende Kleinkinder haben oder arbeitsunfähig sind.
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Die Bürgergeld-Falschbehauptung von Lindner und seine Sparpläne bei der staatlichen Leistung sorgen für Kopfschütteln. Ulrich Schneider, Ex-Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, postet auf X: „Ein Mann, der so ignorant und kaltherzig mit den Ärmsten im Lande umgeht, darf keine politische Macht mehr bekommen.“ Der SPD-Abgeordnete Ralf Stegner reagiert so: „Arroganz pur! Deutlich mehr prekär Beschäftigte müssen mit Bürgergeld ihren Niedriglohn aufstocken als es Bürgergeldempfänger gibt (5x so viel), die arbeiten könnten aber nicht wollen, was sie tun sollten.“