Die wenigsten träumen wohl davon, irgendwann einmal „im System“ zu landen. Das kommt nicht von ungefähr, halten sich doch gerade gegenüber Bürgergeld-Empfängern hartnäckige Vorurteile.
Nicht selten werden sie als „Schmarotzer“ gebrandmarkt, wird ihnen unterstellt, dass sie einfach nicht arbeiten wollen. Ein FDP-Boss gießt jetzt mit einer brisanten Forderung neues Öl ins Feuer. Er findet: „Wer Bürgergeld bezieht, muss etwas dafür tun.“ Ein Sozialverband kontert prompt – und nimmt dabei kein Blatt vor den Mund.
Bürgergeld: FDP-Mann mit krasser Forderung
„Ich halte die Kultur des Bürgergeldes als Signal der zweiten Chance für wichtig“, erklärte der Thüringer FDP-Chef Thomas Kemmerich Mitte der Woche im Gespräch mit dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Es gibt aber auch Leute, die nutzen das System aus. Und dagegen müssen wir vorgehen.“
Sein Vorschlag: Empfänger könnten beispielsweise bei der Straßenreinigung oder in der Betreuung helfen. „Die Kommunen wissen am besten, wo es fehlt […]. Das wäre ein wichtiges Zeichen an die Gesellschaft. Das würde das Störgefühl auflösen.“
Bürgergeld: „Billige Stimmungsmache“
Mit seiner Forderung ist der FDP-Politiker keineswegs allein. Auch der neue CDU-Vize Carsten Linnemann sorgte vor einigen Wochen mit ähnlichen Kommentaren für Aufsehen. Auch die AfD wirbt mit einer „aktivierenden Grundsicherung“, die wohl ebenfalls auf verpflichtende Arbeit hinauslaufen würde.
Alles Unsinn findet der Chef des Paritätischen Gesamtverbands Ulrich Schneider. Im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt er: „Zu unterstellen, die Betroffenen wollen nicht arbeiten, ist billige Stimmungsmache und schürt Vorurteile, die nichts mit der Lebensrealität in Hartz IV beziehungsweise dem Bürgergeld zu tun haben.“
Er weist darauf hin, dass ein großer Teil der etwa 3,9 Millionen Bürgergeld-Empfänger bereits einer Beschäftigung nachgehen. „Knapp 800.000 Menschen sind erwerbstätige Aufstocker, das heißt ihr Lohn reicht zum Leben nicht […]. Andere erziehen Kinder, pflegen Angehörige oder sind in Fortbildungsmaßnahmen und stehen daher dem Arbeitsmarkt temporär nicht zur Verfügung.“
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In Richtung des Thüringer FDP-Bosses sagt er:
„Durch diese Art von Vorschlägen werden ‚Störgefühle‘ erst erzeugt und Neiddebatten entfacht. […] Durch solche Äußerungen werden Menschen stigmatisiert, die sowieso schon unter gesellschaftlichen Ausschluss leiden und an den Rand gedrängt sind.“
Ulrich Schneider
Schneider ist sich sicher, dass Bürgergeld-Empfänger in der Regel gerne arbeiten würden. Dafür brauche es aber Arbeitgeber, die sie einstellen und Arbeitsplätze bereitstellen, die dem jeweiligen Leistungsvermögen der Menschen entsprechen.