In einem offenen Brief an Bundesfinanzminister Christian Lindner kritisiert die Chefredaktion der „taz“ dessen jüngsten Kommentar auf der Social-Media-Plattform „X“ (ehemals Twitter) scharf. Lindner hatte in einem Tweet sein Interview mit dem umstrittenen Internetportal „Nius“ gerechtfertigt und dabei die linke „taz“ als Vergleich herangezogen.
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Diese Gleichsetzung stieß bei den „taz“-Geschäftsführerinnen Barbara Junge und Ulrike Winkelmann auf großes Unverständnis – Christian Lindner kommt in dem Brief nicht gut weg.
Lindners umstrittenes Interview mit „Nius“
Christian Lindner war in den vergangenen Tagen in die Kritik geraten, nachdem er dem Internetportal „Nius“ ein Interview gegeben hatte. „Nius“ wird vom ehemaligen Bild-Chefredakteur Julian Reichelt betrieben, der seine Machtposition als Chefredakteur missbraucht haben soll. Immer wieder soll Reichelt junge Kolleginnen, die von ihm beruflich abhängig waren, gefördert und gleichzeitig in sexuelle Beziehungen verwickelt haben.
Auf der Plattform selbst werden oft rechte Aussagen verbreitet. Finanziert wird sie von dem Milliardär Frank Gotthardt.
„Pluralität der Medienlandschaft“
Dass Christian Lindner ausgerechnet diesem Medium ein Interview gab, löste eine Debatte aus. Um seine Entscheidung für das Interview zu verteidigen, veröffentlichte Lindner auf X einen Beitrag, in dem er betonte: „Die Pluralität der Medienlandschaft ist ein hohes Gut.“ Er habe neulich auch mit der „taz“ gesprochen. Diese Aussage implizierte eine Gleichsetzung, was bei der „taz“-Redaktion für Empörung sorgte.
Taz reagiert mit offenem Brief
Die Chefredaktion der „taz“, vertreten durch Barbara Junge und Ulrike Winkelmann, reagierte am Montag mit einem offenen Brief an Lindner. Sie zeigten sich „irritiert und ratlos“ über den Vergleich. In ihrem Brief formulieren sie scharf: „Bei „Nius“ handelt es sich um eine unappetitliche, rechtslastige Website. Sie ist das Spielzeug eines von seinem Eishockeyclub offenkundig gelangweilten Milliardärs, der ehemalige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Springer-Verlags um sich versammelt hat, die dort nicht mehr satisfaktionsfähig waren.“
Die „taz“-Chefredaktion betont, dass die „Nius“ im Gegensatz zur „taz“ keine journalistischen Standards einhalte und sich durch Ressentiments und Gehässigkeit auszeichne. Besonders kritisch sehen sie Lindners Bezug auf die Pressefreiheit zur Rechtfertigung seines Interviews: „Zur Begründung des Interviews allerdings ‚Pluralität‘, also die Pressefreiheit zu bemühen, die unsere Demokratie von Autokratien und Diktaturen so essentiell unterscheidet, schmerzt unbeteiligte Zuschauerinnen wie uns.“
„Rückschlüsse auf neue Wählerschichten“
Dabei greifen die beiden Chefredakteurinnen auch bewusst Lindner an: „Wenn Sie inmitten einer Koalitionskrise beschließen, mit einer solchen Website zu sprechen, mag das Rückschlüsse auf neue Wähler- und Wählerinnenschichten zulassen, die Sie womöglich im Blick haben.“
Die „taz“-Chefredaktion fordert Lindner zu einer Klarstellung auf. Zudem weist die „taz“-Spitze darauf hin, dass das Blatt ein journalistisches Medium sei, das nach presseethischen Grundsätzen arbeite. Der Vergleich mit „Nius“ sei daher völlig „unangebracht“ und „nicht nachvollziehbar“.
Breite Diskussion
Der offene Brief der „taz“-Chefredakteurinnen hat in der Medienlandschaft und in den sozialen Netzwerken eine breite Diskussion ausgelöst. Viele Kommentatoren unterstützen die Kritik der „taz“ und sehen in Lindners Vergleich eine problematische Gleichsetzung. Andere verteidigen Lindners Entscheidung. Eine Reaktion von Christian Lindner auf den offenen Brief der „taz“ steht noch aus.