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Die europäische Abschiebepraxis im Ländervergleich

Die europäische Abschiebepraxis im Ländervergleich

Schweden und Österreich bleiben hart, Deutschland diskutiert über Ausweisungen. Die Abschiebepraxis in den EU-Staaten ist verschieden.

Berlin. 

Willkommenskultur trifft auf Überlastung und Feindschaft: Die europäischen Länder gehen unterschiedlich mit den ankommenden Flüchtlingen um. Schweden und Österreich wollen Zehntausende abgelehnte Asylbewerber und Migranten, die straffällig wurden, abschieben. Andere Staaten setzen auf freiwillige Rückkehrer. In Deutschland sollen künftig schon Freiheitsstrafen von wenigen Monaten zur Ausweisung führen.

Ein europäischer Überblick über die Abschiebepolitik:

In Schweden könnten von rund 163.000 im vergangenen Jahr angekommenen Asylbewerbern bis zu 45 Prozent abgeschoben werden – laut Regierung zwischen 60.000 und 80.000 Menschen. Allerdings zeichnen sich erhebliche Probleme ab. „Grob gerechnet sind ein Drittel der abgelehnten Asylbewerber sogenannte schwere Fälle, die sich weigern, zu gehen, und bei denen keine ausreichenden Dokumente vorliegen, um die Ausweisung durchzuführen“, sagte Mikael Ribbenvik von der Migrationsbehörde dem schwedischen Radio.

Österreich setzt ebenfalls auf Massenabschiebungen: Die Regierung in Wien will bis 2019 mindestens 50.000 Flüchtlinge zurück in die Heimat bringen. Geplant seien Schnellverfahren, Auslieferungsabkommen sowie zusätzliche Abschiebeflüge, meldete die österreichische Nachrichtenagentur APA am Wochenende. Bei den 50.000 handelt es sich vor allem um abgelehnte Asylbewerber, aber auch um freiwillige Rückkehrer und um solche, die den Aufenthaltsstatus zum Beispiel wegen eines Kriminaldelikts verlieren.

Deutschland will kriminelle Ausländer leichter aus dem Land schicken und Asylbewerbern eher als bislang ein Bleiberecht verweigern, wenn sie straffällig werden. Dazu werden im Aufenthaltsgesetz die bislang geltenden Schwellen für mögliche Ausweisungen gesenkt – zumindest bei bestimmten Delikten. Künftig können schon Freiheitsstrafen von wenigen Monaten zur Ausweisung führen – auch wenn sie zur Bewährung ausgesetzt sind. In Köln hatten in der Silvesternacht Gruppen von Männern Frauen umzingelt, bestohlen und sexuell bedrängt. Unter den Verdächtigen waren auch Asylbewerber.

Dänemark und Norwegen nennen Zahlen nicht

Italien betrachten viele Flüchtlinge nur als Transitland, weshalb dort weniger Menschen Asyl beantragen als etwa in Deutschland oder Schweden. 2015 waren es offiziellen Zahlen zufolge 79.900 Menschen. 66.000 dieser Anträge wurden geprüft, 42 Prozent der Menschen erhielten Schutz. Abgelehnte Asylbewerber sollen nach Angaben des Innenministeriums möglichst in die Heimatländer zurückgeschickt werden.

In Frankreich wird aktuell in beiden Kammern des Parlaments über eine neue gesetzliche Grundlage für Abschiebungen diskutiert. Der Druck ist durch die niedrigen Flüchtlingszahlen vergleichsweise gering. 2015 beantragten knapp 80.000 Menschen Asyl in Frankreich, die Quote der Anerkennungen lag bei gut 31 Prozent. In einer aktuellen Umfrage sprachen sich 77 Prozent für eine Abschiebung abgelehnter Asylbewerber aus.

Finnland will bis zu 60 Prozent der rund 32.000 Menschen abschieben, die hier Asyl suchten. Das wären etwa 20.000 Asylbewerber. Dänemark gibt gar nicht erst bekannt, wie viele der rund 21.000 Asylbewerber, die 2015 nach Dänemark kamen, abgeschoben werden könnten. Auch Norwegen bezifferte bislang nicht, wie viele der etwas mehr als 31.000 Asylbewerber mit Abschiebung rechnen müssen.

Das EU-Land Ungarn schottet sich mit Zäunen gegen Flüchtlinge ab. Abschiebungen oder Abschiebeversuche fallen zahlenmäßig nicht ins Gewicht – es soll sich um maximal ein paar Dutzend Fälle handeln.

In Griechenland liegt eine Zahl, wie viele Flüchtlinge abgeschoben werden sollen, nicht vor. „Am liebsten alle, die keinen Anspruch auf Asyl haben“, heißt es aus Regierungskreisen. 2015 kamen laut Flüchtlingshilfswerk UNHCR gut 856.000 Migranten an, die meist weiter Richtung Norden zogen. Etwa 15.000 blieben nach Ministeriumsangaben in Griechenland. Versuche, Migranten etwa in die Türkei zurückzuschicken, liefen weitgehend ins Leere: „In den vergangenen Wochen sind 60.000 aus der Türkei gekommen. Nur 123 wurden trotz Rückführungsabkommens von der Türkei akzeptiert“, sagt der für Migration zuständige Vizeminister Ioannis Mouzalas.

Flüchtlinge ziehen an Tschechien vorbei

In Polen kommt der Großteil der Flüchtlinge aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, vor allem Tschetschenien. Größere Abschiebeaktionen gibt es nicht; die Behörden versuchen, abgelehnte Flüchtlinge/Asylbewerber zur freiwilligen Rückkehr zu bewegen. Laut jüngster Monatsstatistik der Ausländerbehörde wurden im Oktober 2015 nur vier Menschen als Flüchtlinge anerkannt, acht Antragsteller durften als „toleriert“ im Land bleiben, 192 wurden abgelehnt. Die weitaus größte Zahl der Anträge, nämlich 922, wurden „eingefroren“: Asylbewerber zogen ihre Anträge angesichts einer bevorstehenden Ablehnung zurück. Eine freiwillige Rückkehr ins Heimatland bedeutet das aber nicht.

In der Slowakei ist das Innenministerium stolz auf seine besonders konsequente Abschiebepraxis: „Als eines von nur wenigen EU-Ländern haben wir gut funktionierende Abkommen mit allen umliegenden Staaten“, teilte Ministeriumssprecher Ivan Netik auf dpa-Anfrage mit. Im gesamten Jahr 2015 gewährten die slowakischen Behörden lediglich acht Personen Asyl – bei 330 Antragstellern. Wer als Asylbewerber abgelehnt wird, wird sogleich in das Land abgeschoben, aus dem er in die Slowakei kam, meistens Ungarn oder Ukraine.

In Tschechien gibt es keine Pläne, eine bestimmte Zahl von Migranten auszuweisen, denn der Flüchtlingszustrom geht ohnedies an dem EU-Mitgliedsstaat vorbei. Im vorigen Jahr wurden nur 1525 neue Asylanträge registriert, davon entfiel knapp die Hälfte auf Ukrainer. 29 Syrer erhielten 2015 Asyl, 101 vorübergehenden Schutz. (dpa)