Kommentar über Erdogan-Wähler in Deutschland
„Diese Deutschtürken wieder! Genießen die Freiheit unserer Demokratie – und brummen ihren Landsleuten aus der Ferne erneut Sultan Erdogan auf! Dann zieht doch in die Türkei, wenn ihr die Unterdrückung von Presse- und Meinungsfreiheit so toll findet!“ So der erste Reflex bei vielen vor knapp zwei Wochen nach der Türkei-Wahl.
Die Ergebnisse der ersten Runde der Präsidentschaftswahl schockieren tatsächlich: 65 Prozent der türkischen Wähler aus Deutschland stimmten für Erdogan. In seiner Hochburg Essen sogar 77 Prozent!
Erdogan wählen und in Deutschland die Demokratie genießen
Am Sonntag findet die Präsidenten-Stichwahl in der Türkei statt – erneut fließen Hunderttausende Stimmen aus Deutschland ins Ergebnis ein. Ich werde niemanden verteidigen, der einen autoritären Politiker unterstützt. Erdogan hat mit einer Agenda aus Nationalismus und politischem Islam seine Macht gefestigt und ein System der Korruption aufgebaut. Aber die Wahrheit über die deutsch-türkischen Wähler sieht eben doch anders aus!
Nur eine Minderheit der Deutschtürken machte aktiv das Kreuz bei Erdogan
Von den 2,8 Millionen Menschen mit einem türkischen Migrationshintergrund wählten lediglich 16,7 Prozent Erdogan! Ein Großteil der Deutschtürken hat gar keinen türkischen Pass und durfte gar nicht wählen. Von den verbliebenen 1,5 Millionen, die wahlberechtigt waren, stimmten weniger als die Hälfte ab. Es blieben letztlich nicht ganz eine halbe Million Deutschtürken übrig, die ihr Kreuz bei Erdogan machten.
Dort ist es Erdogan, hier die AfD
Eine halbe Million von 2,8 Millionen – immer noch zu viel, ganz klar. Aber dahinter steckt kein speziell türkisches Problem. Es ist schlimmer!
Laut aktuellen Umfragen wollen bis zu 17 Prozent der Deutschen bei der nächsten Bundestagswahl für die AfD stimmen. In den USA konnte Donald Trump mit seiner „America first“-Politik und einen Hagel an Fake-News ins Weiße Haus einziehen. In Frankreich wird es immer realistischer, dass die nächste Präsidentin Marine Le Pen heißen wird – eine Rechtsradikale.
Politiker-Typen, die auf rücksichtslosen Nationalismus und rechte Identitätspolitik setzen, Fakten und Wahrheiten verdrehen und mit populistischen Parolen mobilisieren, finden ihre Wähler überall.
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