Der Milliardärs-Sohn Robert Durst, seit über 30 Jahren schwerster Verbrechen verdächtigt, lässt in der letzten Folge einer Fernseh-Dokumentation über ihn die Hüllen fallen
Washington.
Was die US-Justiz in über 30 Jahren nicht geschafft hat, ist zwei Filme-Machern jetzt gelungen: Robert Durst, Schlüsselfigur in drei der rätselhaftesten Fälle der amerikanischen Kriminalgeschichte, hat sich offenbar selbst ans Messer geliefert.
Am Sonntagabend lief auf dem TV-Bezahlsender HBO der letzte Teil einer fesselnden Dokumentarserie. Der 71-jährige Abkömmling einer milliardenschweren New Yorker Immobilien-Dynastie hat daran aktiv mitgewirkt. Obwohl er seit 1982 mit drei abscheulichen Verbrechen in Verbindung gebracht wird. Durst konnte wie durch ein Wunder immer wieder den Kopf aus der Schlinge ziehen.
Durst im Selbstgespräch: „Habe sie alle umgebracht.“
Kurz vor der Ausstrahlung wurde der weißhaarige, kleine Mann in einem Hotel in New Orleans vom FBI wegen eines 15 Jahre zurückliegenden Mordes festgenommen. Warum, erschließt sich erst im Abspann: „The Jinx“, der Unglücksbringer, über dessen Werdegang Bücher, Filme und Hunderte Zeitungsartikel kursieren, wähnt sich unbeobachtet auf der Toilette. Aber das Mikrofon, das ihm während der Filmarbeiten angesteckt wurde, ist nicht abgeschaltet. Leise hört man Durst flüstern: „Was für ein Desaster. Sie haben Dich überführt. Was zum Teufel habe ich getan. Natürlich, ich habe sie alle umgebracht.“
Die Filmemacher Marc Smerling und Andrew Jarecki, die Durst seit über zehn Jahren auf den Fersen sind, 2010 mit Hollywood-Star Ryan Gosling eine leicht fiktionalisierte Fassung ins Kino brachten („All Good Things“) und für die jetzt erstmals ausgestrahlte Doku-Reihe über 20 Stunden Interviews mit Durst führen konnten, haben nach US-Medienberichten mit den Behörden in Los Angeles seit Monaten intensiv zusammengearbeitet. Ihre Beweisführung haben sie in der Sende-Reihe anhand zweier verräterischer Brief-Kouverts dokumentiert.
Und zwar so stichhaltig, dass die Hauptfigur aus Angst vor einem Zugriff mit gefälschten Papieren in New Orleans parat stand, um nach Kuba zu fliehen, wie es in Ermittlerkreisen heißt. Stattdessen wird sich Robert Durst bald in Los Angeles vor Gericht verantworten müssen. Im Falle einer Verurteilung kann ihm die Todesstrafe drohen.
Durst kapselt sich ab und bricht mit seiner Familie
Roberts Vater, Seymour Durst, war der Prinzipal einer Familie, der in Manhattan bis heute ein Dutzend Wolkenkratzer gehört. Seine Mutter fiel nach einer Überdosis Pillen vom Dach. Die Nachbarn sprachen von Selbstmord.
Robert Durst, damals noch ein Kind, kapselte sich ab. Erst nach dem Studium taute er auf, wurde in Los Angeles Teil des Jetsets, traf John Lennon, hatte ein Verhältnis mit der Schwester von Mia Farrow. Anfang der 70er Jahre lernte er Kathleen McCormack kennen. Tochter eines Briefträgers. Ein Jahrzehnt später lag die Ehe in Scherben.
1982 verschwindet Kathleen spurlos. Der Fall macht nationale Schlagzeilen. Dursts Jugendfreundin Susan Berman, deren Vater in Las Vegas für Mafia-Granden wie Meyer Lansky und Bugsy Siegel gearbeitet hat, übernimmt die PR für ihn. Da steht Durst bereits auf dem Abstellgleis. Douglas, Roberts Bruder, übernimmt die Firma. Durst bricht mit seiner Sippe. Und driftet ab.
Zeugin für Mord an Ex-Frau erschossen?
Ende der 90er Jahre plauderte ein Mann, der mit einer Zugehfrau der Durst-Dynastie verheiratet war, gegenüber der Polizei: „Kathleen Durst ist nicht verschwunden – sie wurde ermordet.“ Susan Berman wisse alles. Ihr habe die unglückliche Ehefrau schließlich kurz vorher erzählt, dass sie sich vor ihrem eifersüchtigen Mann fürchtet.
Die Staatsanwaltschaft nimmt den Fall wieder ins Visier. Zu spät. Heiligabend 2000 findet man Susan Berman in ihrem Haus in Beverly Hills mit einem Loch im Hinterkopf. Kaliber 9-Millimeter. Wusste sie zu viel? Hat Durst selber…? Oder ließ er…?
Neun Monate später treibt in der Galveston Bay vor Texas ein schwarzer Müllsack, der all diese Fragen vorübergehend verdrängt. Darin: abgeschnittene Arme und Beine, eine Schutzhülle für eine Säge und eine Zeitung mit der Adresse eines Hauses in Galveston. Es war das Haus, in dem Robert Durst lebte. Und der Rentner Morris Black. Als er noch Arme und Beine hatte.
Durst taucht unter – als Mann in Frauenkleidern
Durst wird nach Zahlung einer hohen Kaution aus der U-Haft entlassen. Er taucht sofort unter. Als sein Bild in der Fernsehsendung „Americas Most Wanted“ gezeigt wird, meldet sich ein Vermieter aus New Orleans: Der Gesuchte hat dort in Frauenkleidern ein Apartment gemietet. In der Wohnung finden die Ermittler nicht viel. Außer einem silbernen Medaillon, das Susan Berman gehört hat.
Wochen später wird Durst in Bethlehem, Pennsylvania, beim Sandwich-Klau erwischt. Obwohl in seinem Kofferraum 37 000 Dollar liegen. Den anschließenden Prozess wegen Morris Black gewinnt er. Die Geschworenen nehmen ihm ab, dass er sich nach einem Streit in einer Notwehr-Situation befunden haben will. Die Art der Leichenbeseitigung fällt nicht ins Gewicht. Durst ist obenauf. Ein Rechtsstreit mit seiner Familie bringt ihm 2006 rund 65 Millionen Dollar ein.
Gegenüber Marc Smerling und Andrew Jarecki behielt Robert Durst, von diabolischer Eitelkeit getrieben, seine Strategie fast bis zuletzt bei. Weder mit dem Verschwinden seiner Frau, von deren Familie längst als Mord deklariert, noch mit dem brutalen Ableben von Susan Berman will er irgend etwas zu tun gehabt haben.
Filmemacher überführen Durst mit Rechtsschreibfehler
Dann zogen die Filmemacher einen Briefumschlag hervor. Er enthielt einen Schreibfehler, der identisch ist mit jenem anonymen Brief, der die Polizei von L.A. im Jahr 2000 zur Leiche von Susan Berman führte. „Eine Sensation“, titelten US-Blätter noch am Sonntagabend. Staatsanwälte, die damals nicht weiterkamen, zollten den Filme-Machern Respekt. Dursts Anwalt Chip Lewis wiegelte noch ab. „An der Unschuld meines Mandanten hat sich nichts geändert.“
Dursts Bruder Douglas kann den Prozess dagegen kaum erwarten. „Wir sind erleichtert und jedem dankbar, der zur Festnahme von Robert beigetragen hat“, schreibt er in einer offiziellen Mitteilung. „Wir hoffen, dass er endlich zur Rechenschaft gezogen wird für all das, was er getan hat.“