Das politische Deutschland hält die Luft an, die Ankündigung des Rücktritts des gesamten Grünen-Vorstands dürfte in der Berliner Willy-Brandt-Straße 1 für schlaflose Nächte sorgen. Dabei zeigen Ricarda Lang und Omid Nouripour dem Kanzler, wie Verantwortung in einer Regierungsposition funktionieren sollte. Ein Kommentar.
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Dass die Ampel in einer der größten Regierungskrisen seit der Wiedervereinigung steckt, ist wahrlich keine neue Erkenntnis. Der Unmut der Gesellschaft hat sich bereits bei der Europawahl im Juni angedeutet, die Landtagswahlen im Osten waren lediglich die Spitze des Eisbergs. Insgesamt 35,8 Ampel-Prozentpunkte in Brandenburg, 13,3 Prozent in Sachsen und 10,4 Prozent in Thüringen sind ein absolutes Armutszeugnis. Zumal der Wahlsieg der SPD in Brandenburg nur dank des Verzichts auf die Unterstützung von Olaf Scholz zustande kam.
Grünen-Spitze beweist Rückgrat und hat Respekt verdient
Doch anstatt die offensichtlichen Fehler bei sich selbst zu suchen, stellt man sich in Berlin lieber als Opfer der Politikverdrossenheit und des „Rechtsrucks“ dar. Zumindest bis jetzt, denn der Rückzug der Grünen-Spitze zeugt von Rückgrat und tatsächlicher Verbundenheit mit der Partei. Um zu verstehen, dass nur die wenigsten Politiker ihre eigenen Belange unterordnen, um sich der Zukunftsperspektive der Partei, wenn nicht sogar der Zukunftsperspektive der deutschen Demokratie zu besinnen, muss man kein Wähler der Grünen sein.
Auch zeigt der Schritt, dass Ricarda Lang und Omid Nouripour offenbar über eine größere politische Vision verfügen, als es ein Scholz oder ein Linder tun.
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„Die Bundestagswahl im nächsten Jahr, das ist nicht einfach irgendeine Wahl. Bei dieser Wahl entscheiden wir darüber, wie sich Deutschland in Zukunft entwickelt. Wir entscheiden auch darüber, wer dieses Land eigentlich sein will. (…) Und ich will, dass meine Partei bestmöglich für diesen Wettbewerb um die Zukunft des Landes, um die Zukunft Europas aufgestellt ist. (…) Und jetzt in diesem Moment will ich Verantwortung übernehmen. Das heißt, dass ich einen Neustart ermöglichen will“, erklärte Ricarda Lang ihre Entscheidung auf X.
Ein solcher Neustart fordert immer personelle Konsequenzen: sei es in der Bundesliga, wo regelmäßig an den Trainerstühlen gesägt wird, oder in der freien Wirtschaft, in der die Vorstände ihre Köpfe für die Bilanzen hinhalten müssen. Warum sollte es in der Politik also anders sein? Dass ein Neustart in Berlin folgen muss, ist bei einer dreiprozentigen Zustimmung für die Ampel nicht zu leugnen. Die Regierung sollte sich ein Beispiel am Grünen-Duo nehmen.