Gewalttaten radikaler Siedler gegen Palästinenser im von Israel besetzten Westjordanland (mehr dazu hier) haben zugenommen. Ein ARD-Team war vor Ort, um darüber zu berichten.
Auch das Journalisten-Team musste diese Gewalt am eigenen Leib spüren. Der Bayerische Rundfunk (BR) sieht darin einen Angriff auf die Pressefreiheit. Doch das ist nur ein Beispiel von vielen.
Israel: ARD-Team wird von Siedlern bedroht
Während einer Recherche über Gewalttaten radikaler Siedler gegen Palästinenser im Westjordanland geriet ein Team der ARD in eine bedrohliche Situation. Soldaten des israelischen Militärs (IDF) hielten das Team auf seinem Rückweg auf. Der Vorfall ereignete sich südlich der palästinensischen Stadt Hebron.
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Das Team, bestehend aus dem Korrespondenten Jan-Christoph Kitzler, einem palästinensischen Mitarbeiter und einer deutschen Mitarbeiterin, wurde von den israelischen Soldaten äußerst aggressiv behandelt. Sie hielten mehrfach ihre Waffen in Richtung des Teamfahrzeugs und filmten die ARD-Mitarbeiter aus nächster Nähe. Dieses Verhalten wurde als offensichtlichen Versuch der Einschüchterung empfunden.
Die Soldaten, die nach Angaben des Teams mutmaßlich aus der Gegend stammten und als Reservisten einberufen worden waren, waren in einem Privatfahrzeug unterwegs und trugen zivile Kleidung. „Die Soldaten haben uns mit ihren Waffen bedroht und uns gefragt, ob wir Juden seien. Unsere Kollegin wurde als Verräterin beschimpft“, berichtet Kitzler.
Zahl der Opfer im Westjordanland steigt
Wie die israelische Zeitung „Haaretz“ berichtet, dokumentiert ein Video einen weiteren erschreckenden Vorfall von Siedlergewalt. Die israelische Menschenrechtsorganisation B’Tselem veröffentlichte am 13. Oktober ein Video, das für Aufsehen sorgte.
Aufgenommen in der Nähe von Hebron im Westjordanland zeigt es einen Mann in Zivil, der eine Maschinenpistole in den Händen hält und seinen augenscheinlich unbewaffneten Kontrahenten. Plötzlich kommt es zu einem Handgemenge, und der Bewaffnete schießt dem Mann aus nächster Nähe in den Bauch. Der Verletzte bricht zusammen, der Schütze macht sich aus dem Staub. Ein Dritter, in israelischer Militäruniform, beobachtet das Geschehen aus sicherer Entfernung, greift aber nicht ein.
„Im Westjordanland war die Lage in den letzten Monaten bereits sehr angespannt“, erklärt Steven Höfner, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah, im Gespräch mit „ntv.de“. Beinahe täglich komme es zu Angriffen von Siedlern auf palästinensische Dörfer, während Palästinenser wiederum israelische Militärposten oder Siedlungen attackieren.
Das ist nicht nur aus Sicht der Vereinten Nationen (UN) besorgniserregend. Schon vor dem Angriff der Hamas am 7. Oktober war dieses Jahr das blutigste im Westjordanland. Siedler treten immer aggressiver auf, und die Zahl der Opfer steigt nach Aktionen der israelischen Armee (IDF) rapide an. Ein UN-Bericht aus dem September zählt 173 getötete Palästinenser bei Zusammenstößen mit der IDF im Westjordanland, darunter 58 Kinder.
Laut dem UN-Büro für humanitäre Angelegenheiten haben sich die Angriffe von Siedlern auf Palästinenser seit Angriff der Hamas mehr als verdoppelt. Dabei seien rund 120 Palästinenser gestorben, so das palästinensische Gesundheitsministerium
„In vielen Fällen ist Militär anwesend“
Laut „Haaretz“-Recherchen arbeitet die Armee sogar mit radikalen Siedlern zusammen. Am 12. Oktober drangen Siedler und israelische Soldaten in die kleine beduinische Gemeinde Wadi al-Seek ein. Zeugenberichten zufolge wurden drei Bewohner stundenlang misshandelt. Die Täter sollen Zigaretten auf ihnen ausgedrückt und auf sie uriniert haben. Die israelische Armee erklärte gegenüber „Haaretz“, der Vorfall werde untersucht, und ein Kommandeur sei entlassen worden.
„Wir zahlen für das, was passiert ist“, sagt Abu Bashar, ein Anführer der Wadi al-Seek-Gemeinschaft, gegenüber der Nachrichtenagentur „AFP“. Alle 200 Bewohner des Dorfes wurden vertrieben. Eine Woche später erlaubte die israelische Armee den Bewohnern, ihre Habseligkeiten zu holen, doch alles war zerstört. AFP-Journalisten bestätigten die Plünderung von Häusern. Zivile Fahrzeuge, einige davon mit israelischen Flaggen, bewegten sich in der Nähe des Dorfes.
Das ist höchstwahrscheinlich kein Einzelfall. Ein Bündnis von 30 israelischen NGOs spricht von mindestens 13 palästinensischen Gemeinden, die seit dem 7. Oktober gewaltsam vertrieben wurden. „Minister und andere Beamte der Regierung unterstützen die Gewalt und in vielen Fällen ist das Militär anwesend oder beteiligt sich sogar“, schreiben die Organisationen in einem Hilferuf an die internationale Gemeinschaft.