Krank sein und dafür auch noch draufzahlen? Das ist die Forderung des Chefs einer Krankenkasse – er will den Karenztag zurück. Also, dass der erste Tag der Krankmeldung unbezahlt bleibt.
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Dass die Krankenkassen am Limit sind, ist kein Geheimnis. Die Bevölkerung wird immer älter, gleichzeitig kommen immer weniger junge Menschen dazu, die in die Solidargemeinschaft einzahlen und so die Behandlungs- und Pflegekosten für die Älteren tragen. Jetzt soll diese, dadurch ohnehin schon finanziell mehr belastete Gruppe sich auch nicht mehr krankmelden können?
„Weltmeister bei Krankmeldungen“ – Versicherer fordert Änderungen
Tatsächlich ist das die Forderung, die Oliver Bäte (59) in einem Interview mit dem „Handelsblatt“ äußert. Er ist der Chef der Allianz-Versicherung, dem am Umsatz gemessen größten Versicherungskonzern der Welt. Auch die private Krankenkasse gehört mit ins Allianz-Sortiment.
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Bäte hat also viel zu sagen, und was er sagt, ist, dass der Karenztag wieder eingeführt werden sollte. Dann „würden Arbeitnehmer die Kosten für den ersten Arbeitstag selber tragen“, erklärt Bäte. Arbeitgeber und Krankenkasse müssten dann nicht für den Lohn des Krankgeschriebenen aufkommen.
Der Grund für dieses Anliegen: „Deutschland ist mittlerweile Weltmeister bei den Krankmeldungen. Das erhöht die Kosten im System“, so Bäte. In der Tat steigen die Zahlen der Krankmeldungen in Deutschland an. Diese Tendenz war nicht zuletzt nach der Coronapandemie nicht mehr zu leugnen. Arbeitnehmer melden sich heute im Schnitt 20 Tage im Jahr krank, das ist mehr als doppelt so viel wie der EU-Schnitt von 8 Tagen.
Krankenkasse setzt auf Eigenverantwortung
Möglich, dass sich diese Zahlen durch das Wiedereinführen der Karenztage ändern würden. Gewiss würde man einige Arbeitnehmer dann eher am Blaumachen hindern, die Gefahr ist aber auch groß, dass sich ernsthaft Kranke zur Arbeit schleppen, weil sie den Lohnausfall nicht verkraften können.
Auch benachteiligt durch dieses Konzept sind eventuell junge Eltern, besonders Mütter kleiner Kinder, die sich oft nicht ihretwegen, sondern zur Pflege ihres kranken Sprösslings krankmelden. Immerhin: Wer beim Arzt war und ein Attest vorlegen kann, soll weiter Lohn beziehen.
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Das Pro-Argument: Die Kosten, die durch die Lohnfortzahlungen entstehen, sind hoch. „Arbeitgeber zahlen in Deutschland pro Jahr 77 Milliarden Euro Gehälter für kranke Mitarbeiter. Von den Krankenkassen kommen noch einmal 19 Milliarden Euro hinzu. Das entspricht rund 6 Prozent der gesamten Sozialausgaben“, so Bäte.