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Christian Lindner im Interview: „Ob vier oder sechs Prozent, das ändert die Republik“

Lindner wirbt offensiv für Schwarz-Gelb, Leihstimmen will er aber nicht. Die FDP im Parlament verändert die Republik, meint er im Interview.

Christian Lindner spricht von einer Veränderung der Republik, sollte es die FDP in die Regierung schaffen.
© IMAGO/STAR-MEDIA

Interview mit Christian Lindner

Im Interview erzählt uns Christian Lindner, dass seine Partei die Republik verändern würde - sofern sie den Sprung ins Parlament schafft.

Die Bundestagswahl ist für die FDP eine solche mit Schicksalscharakter. Während Christian Lindner vor wenigen Monaten noch Teil der Ampel-Regierung war, droht am 23. Februar das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde und somit der vorläufige Negativ-Höhepunkt in der jüngeren Geschichte der Liberalen. Zweitstimmenfang kommt für den Parteichef aber nicht infrage. „Ich wende mich ja nicht an die Union“, so Lindner im Interview mit unserer Redaktion.

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Herr Lindner, Sie haben Herrn Scholz bei der letzten Bundestagssitzung als zweiten Nobelpreisträger der SPD betitelt, weil dieser – mit Blick auf seine Ampel-Politik – die Existenz des Paralleluniversums belegt hätte. Hätten Sie diesen Preis dann nicht auch verdient? Sie waren immerhin drei Jahre lang Teil dieser Ampel.

Lindner: Die FDP hat ja Vorschläge für eine Wirtschaftswende vorgelegt, um die Probleme in Deutschland zu überwinden. Wir geben uns mit einem Land, das kein Wachstum mehr hat und in welchem Menschen in Sorge um ihren Job sind, nicht zufrieden. Deshalb haben wir schon in der Ampel-Koalition vorgeschlagen, Bürokratie, wo immer es möglich ist, abzubauen, etwa beim Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, dem Arbeitszeitgesetz, der Nachhaltigkeitsberichterstattung, der Taxonomie und vielen weiteren Bereichen. Ich habe Vorschläge zur Steuersenkung gemacht, damit sich die Überstunde oder die Gehaltserhöhung auch lohnt, damit sich unternehmerisches Risiko wieder auszahlt. Auch habe ich Vorschläge für weniger Ideologie in der Klima- und Energiepolitik eingebracht, weil sie uns sehr viel Wertschöpfung kostet und Jobs gefährdet. All das wollten SPD und Grüne nicht. Deshalb gibt es jetzt eine neue Wahl und das ist gut so.

Mögliche Koalitionen: Lindner schließt Zusammenarbeit mit den Grünen aus

Mehrere Medien haben berichtet, dass Herr Scholz Herrn Chialo (CDU) auf einer privaten Veranstaltung als „Hofnarr“ bezeichnet habe. Herr Chialo hat diesen Vorwurf bestätigt, eine Entschuldigung gab es demnach nicht. Jetzt werden Rassismus-Vorwürfe gegen den Bundeskanzler laut. Was sagen Sie zu diesem Vorfall?

Lindner: Olaf Scholz sollte prüfen, was er als Beispiel für sittliche Reife in so einer Situation tun muss.


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Sie werben sehr offensiv für Schwarz-Gelb und gehen auf die Zweitstimmen, wie schon zu Merkel-Zeiten. Warum?

Lindner: Wir werben natürlich um alle Stimmen für die FDP, weil sich Deutschland ein „Weiter so“ nicht leisten kann. Schwarz-Rot und Schwarz-Grün wären dasselbe wie die Ampel, denn die Große Koalition hat ja viele der heutigen Probleme erst verursacht. Die Migrationsdebatte beispielsweise gibt es seit 2015. Auch an Wettbewerbsfähigkeit haben wir seit zehn Jahren verloren. Schwarz-Rot und Schwarz-Grün wären Koalitionen des Stillstands. Das Beste für unser Land wäre Schwarz-Gelb. Wenn das nicht erreichbar ist, ist eine Deutschland-Koalition aus Union, SPD und FDP die beste Option. Das wäre allemal besser als nur Schwarz-Rot. Denn jede Regierung mit der FDP legt mehr Akzente auf Marktwirtschaft, Freiheit und das Leistungsprinzip. Genau das braucht Deutschland jetzt. Deshalb schließen wir eine Koalition mit den Grünen auch aus.

In der Union kommt ihr Gesuch nicht so wirklich an. Friedrich Merz lässt verlauten, dass jede Stimme für die FDP eine verlorene ist, weil sie zugunsten eines Politikwechsels à la Union fehlt. Hätten Sie sich mehr Unterstützung erhofft?

Lindner: Ich wende mich ja nicht an die Union. Ich wende mich an die Bürgerinnen und Bürger. Ob die Union 31 oder 33 Prozent holt, ist völlig unerheblich. Aber ob die FDP vier oder sechs Prozent holt, das ändert die Republik. Wenn die FDP im Parlament ist, dann gibt es nicht nur eine liberale Stimme, die sich von allen anderen unterscheidet, sondern dann gibt es rechnerisch automatisch auch kein Schwarz-Grün. Eine Stimme für die FDP hat daher viel mehr Gewicht und viel mehr Einfluss als eine Stimme für die Union.

Nach dem Entschließungsantrag der Union gab es bundesweit große Proteste, die sich nicht mehr nur gegen die AfD, sondern auch gegen CDU/CSU gerichtet haben. Sie haben dem Antrag ja auch zugestimmt. Wie nehmen Sie die Proteste daher wahr?

Lindner: Das geht in die falsche Richtung. Dem Antrag einer demokratischen Fraktion wie der Union, der Richtiges enthält, muss man im Parlament zustimmen können. Nur weil er von der AfD unterstützt wird, wird ja das Anliegen nicht schlecht. Der eigentliche Skandal ist, dass SPD und Grüne nicht zugestimmt haben. Dadurch haben sie verhindert, dass es einen Schulterschluss der demokratischen Mitte gibt, um das für die Menschen brennende Thema Migration zu lösen. Deutschland muss ein weltoffenes Land bleiben, aber Weltoffenheit darf nicht zu Lasten von Kontrolle und Sicherheit gehen.

Neben der Migrationspolitik ist die Wirtschaftspolitik der zweite große Krisenherd. Kurz zusammengefasst, auch wenn es schwierig ist: Wie wollen Sie die Wirtschaft unbürokratisch aufpäppeln?

Lindner: Die Menschen müssen Lust darauf haben, in Deutschland zu arbeiten und gegebenenfalls sogar ein bisschen mehr zu arbeiten. Es muss dafür gesorgt werden, dass sich diese Mehrarbeit individuell lohnt und nicht alles beim Staat landet. Es muss leichter werden, zu investieren und ein unternehmerisches Risiko einzugehen. Dadurch werden Arbeitsplätze gesichert und es entsteht Wachstum. In Deutschland ist oft genug der Staat das Problem und nicht Teil der Lösung. Daher: weniger Regulierung, weniger Staatsapparat, weniger Steuern und weniger Verbote. Das sorgt dafür, dass wir unser Potenzial endlich wieder zeigen können. Wir sind ein Land mit schlauen Leuten und guten Ideen. Privates Kapital ist auch vorhanden. Aber wir stehen uns selbst im Weg, also sollten wir den Weg freiräumen.