Sehen wir beim langsamen Sterben der Linkspartei zu? Am 6. Dezember wird die Linke ihre Fraktion im Bundestag auflösen müssen, weil neun Abgeordnete zum Bündnis von Sahra Wagenknecht wechselten. Obwohl es deren neuen Partei noch gar nicht gibt, liegt die Linke bei aktuellen Umfragen schon jetzt unter 5 Prozent.
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Ist der Untergang also unvermeidlich und unaufhaltsam? Der populärste Politiker der Partei, Gregor Gysi, ist bereits 75. Der einzige Ministerpräsident, Bodo Ramelow, könnte bei den Neuwahlen in Thüringen im nächsten Jahr sein Amt verlieren. Die Parteispitze wenig bekannt bei den Wählerinnen und Wählern. Wer bleibt da noch personell? Vier Hoffnungsträger gibt es. Sie bringen zum Bundesparteitag in Augsburg (17. bis 19. November) die Zuversicht rein, dass es noch eine Chance auf Rettung gibt.
Vier Hoffnungsträger der Linkspartei
Carola Rackete (35):
Ziemlich überraschend wurde Rackete vom Parteivorstand auf Platz 2 der Europawahl-Liste gesetzt. Sie ist damit neben Parteichef Martin Schirdewan die Spitzenkandantin für die Linke bei der EU-Wahl 2024.
Ihre Biografie ist spannend! Die Politik-Quereinsteigerin geriet 2019 als Kapitänin der Sea-Watch 3 in die Schlagzeilen. Sie brachte in Seenot geratene Menschen im Mittelmeer zum Hafen der Insel Lampedusa. Ohne Genehmigung der Behörden, was in Italien einen riesigen Wirbel auslöste. Kurzzeitig wurde sie sogar festgenommen.
Für ihren Einsatz wird sie von Linken und Pro-Asyl-Aktivisten als mutige Kämpferin für Menschenrechte gefeiert. Ob sie auch in der Politik bestehen kann, wird sich im kommenden Wahlkampf zeigen.
Gerhard Trabert (67):
Auch Trabert wird zum Spitzenteam bei der EU-Wahl gehören – und hat ebenso einen außergewöhnlichen Lebensweg für einen Politiker. Er ist Professor für Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie. Zudem engagiert er sich mit seinem Arztmobil für die medizinische Versorgung von Wohnungslosen und Patienten ohne Krankenversicherung.
Als Quereinsteiger kandidierte er zunächst erfolglos als Direktkandidat bei der Bundestagswahl 2021 für Die Linke in Mainz. Danach stellte ihn die Partei 2022 als Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten auf. In der Bundesversammlung erhielt er 96 Stimmen – und damit 25 mehr, als die Linkspartei Vertreter entsenden konnte. Ein Achtungserfolg für den Mediziner.
Casin Köktürk (30):
Die streitbare Sozialarbeiterin Köktürk sorgte kurz vor dem Bundesparteitag für Aufsehen mit ihrem Parteiwechsel von den Grünen zu den Linken (Wagenknecht über Grüne: „Diese unendliche Arroganz“). Sie glaubt an eine Erneuerung und Chance für die Partei, gerade durch den Abgang von Wagenknecht.
Die Frau aus dem Ruhrgebiet ist unnachgiebig und rigoros in ihren Ansichten – und sucht die Medien. So war sie bereits bei „hart aber fair“ und bei Markus Lanz zu Gast. In diesem Jahr veröffentlichte sie das Buch „Unsozialstaat Deutschland: Warum wir radikal humanistisch werden müssen“.
Bei den Grünen war sie eine „Ampel-Rebellin“ und dadurch unbequem. Wird sie sich in den Reihen der Linken nun besser aufgehoben fühlen – oder weiterhin oft gegen den Strom schwimmen?
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Ines Schwerdtner (34):
Eine weitere Quereinsteigerin: Ines Schwerdtner. Bis zuletzt war sie Chefredakteurin des sozialistischen Magazins „Jacobin“. Nun wechselte sie vom Journalismus in die aktive Politik und trat in die Partei ein.
Ihr Ziel: das Europaparlament! Ihren ersten kämpferischen Wahlkampfclip sahen bei X bereits über 200.000 Menschen. Sie will vor allem im Osten Menschen für die Linke gewinnen – genau dort also, wo die Partei ihre Hochburgen hatte, die von der AfD eingenommen wurden. Kann Schwerdtner ein neues Gesicht der Ost-Linkspartei werden?
Die Linke meldet kleine Eintrittswelle nach Wagenknecht-Austritt
Neben diesen vier Hoffnungsträgern versucht Die Linke zum Parteitag auch insgesamt eine Aufbruchstimmung zu vermitteln. So gibt es erstmals seit der Parteigründung vor 15 Jahren ein aufgefrischtes Logo. Bundesgeschäftsführer Tobias Bank meldete außerdem Ende Oktober, dass nach Wagenknechts Austritt binnen einer Woche 422 Menschen ihren Eintritt erklärt hätten, 244 traten aus.
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Insgesamt also ein Plus von fast 180 Mitgliedern. Nur ein Strohfeuer – oder mehr?