Plötzlich brennt der Baum bei der CDU! Die Partei befindet sich nach 16 Jahren unter Angela Merkel in einer Identitätssuche und kommt trotz der chaotischen Ampel-Performance nicht vom Fleck. Nun hat sie auch noch einen offenen Machtkampf: Parteichef Friedrich Merz gegen NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst.
Seit dem Wochenende ist für alle sichtbar: Die Kanzlerkandidaten-Frage ist völlig offen – und Wüst will Merz keineswegs Platz machen. Dieses Duell wird mit Ellenbogen geführt. Das wurde bei einem Interview von Merz in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ offenkundig. Manch einer musste zweimal hinhören, ob der CDU-Vorsitzende DAS wirklich gesagt hat.
Wüst beginnt Scharmützel – Merz nimmt Rache
Doch zunächst begann Hendrik Wüst, der Herausforderer aus NRW, das öffentliche Scharmützel. Obwohl Wüst erst seit Oktober 2021 Ministerpräsident ist, bringt er sich fürs Kanzleramt in Stellung. Düsseldorf also nur ein Karrieresprungbrett? Armin Laschet plante das auch – mit bekanntem Ausgang.
Wüst lässt sich davon aber nicht abschrecken und unterstrich nun seine bundespolitischen Ambitionen. „Das Herz der CDU schlägt in der Mitte“, ließ er über die „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ verkünden. Vor kurzem erst verlieh er Merz‘ Erzfeindin Angela Merkel den NRW-Staatspreis.
Das alles mitten in einer Zeit, in der die CDU auf der Suche nach einer wirkungsvollen Oppositionsrolle gegen die Ampel ist. Ist diese mit teilweise populistischen Parolen über Gendersprache, Zigeunerschnitzel und Habecks „Heizungshammer“ zu finden? Oder macht man so nur die AfD größer, die immer schärfer ist? Merz wollte die AfD halbieren, nun ist die radikale Rechtsaußen-Partei auf Umfrage-Höchstwerten. Die CDU dagegen steht kaum besser da als bei der Bundestagswahl 2021. War Merkels progressiver Mitte-Kurs also doch der richtige Weg?
Wüst warnte in der FAZ vor zu viel Populismus gegen die Grünen: „Wer nur die billigen Punkte hervorhebt und sich mit Populisten gemein macht, legt die Axt an die eigenen Wurzeln und stürzt sich selbst ins Chaos.“ Sinnbildlich für diese von ihm kritisierte Rhetorik war die Parteitagsrede von Ex-Olympiasiegerin und CDU-Mitglied Claudia Pechstein. Obschon die Rede der heutigen Bundespolizistin teilweise auf Stammtischniveau war (und das auch noch in Uniform), feierte Merz ihren Beitrag als „brillant“.
„Aktuell“ sieht sich Wüst noch in NRW
Wüst bringt sich nun als Alternative in Stellung – auch als möglicher Kanzlerkandidat. „Meine Aufgaben liegen aktuell in Nordrhein-Westfalen“, erklärte er gegenüber der „Rheinischen Post“. Mit Betonung auf „aktuell“. Auf Nachfrage wich er aus: „Alle Fragen, die darüber hinausgehen, stehen weder in meiner Partei noch in Deutschland gerade an.“
Die CDU will die Kandidatenfrage erst im Sommer 2024 klären. Was für ein gefährlicher Sprengstoff das für die ganze Partei ist, wurde am Sonntagabend (18. Juni) klar. Da nahm sich Merz seinen aufmüpfigen Widersacher vor. Im ZDF teilte er aus: „Wir haben eine Entscheidung im Spätsommer 2024 zu treffen. Und bis dahin befassen wir uns nicht mit Personalspekulationen, sondern mit Themen. Und die Themen werden von einer großen Verunsicherung in der Bevölkerung bestimmt. In ganz Deutschland, übrigens auch in Nordrhein-Westfalen.“
Merz: Leute unzufrieden mit NRW-Landesregierung von Wüst
Und nun drehte Merz richtig auf: „Wenn wir heute in Nordrhein-Westfalen Landtagswahlen hätten, wäre die AfD fast so stark wie im Bund. Die Unzufriedenheit, auch in den Ländern, auch leider in Nordrhein-Westfalen, aus dem ich ja komme, mit der Landesregierung ist fast so groß wie die mit der Bundesregierung.“
Aus Sicht von Merz wird also auch NRW von Parteifreund Wüst schlecht regiert. Zumindest seien viele Menschen mit der schwarz-grünen Landesregierung ebenso unzufrieden, wie mit der Berliner Ampel. Wie von Sinnen teilt Merz gegen einen der prominentesten Köpfe seiner Partei aus – in aller Öffentlichkeit im ZDF. Die Opposition im Düsseldorfer Landtag wird sich für die Steilvorlage bedanken.
NRW-Umfrage: Wüst weitaus erfolgreicher als Merz
Die Realität sieht aber anders aus: Wäre am Sonntag Landtagswahl in NRW, würde die CDU laut einer neuen Forsa-Umfrage 37 Prozent bekommen. Es würde weiterhin eine stabile schwarz-grüne Mehrheit geben. Im Bund, unter Führung von Merz, steht die Union irgendwo zwischen 27 bis 29 Prozent. Und während die AfD bundesweit an der 20 Prozent kratzt, liegt sie in NRW deutlich drunter (13 Prozent).
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Noch eine weitere Umfrage ist ein Schlag ins Gesicht des Sauerländers Merz. Unter NRW-Bürgern meinen immerhin 40 Prozent, dass Wüst ein guter Kanzlerkandidat wäre. Von Merz sagen das dagegen nur 29 Prozent. Sogar der bayerische Ministerpräsident Söder kommt im Westen besser an (30 Prozent halten ihn für guten Kanzlerkandidaten). Das ergab der jüngste NRW-Trend vom WDR.