Weniger als zwei Monate vor der Bundestagswahl erscheint es höchstwahrscheinlich, dass Friedrich Merz als Kanzler das Ruder im Land übernimmt. Seine Union liegt in Umfragen stabil über 30 Prozent ist damit etwa doppelt so stark wie die SPD von Olaf Scholz. Auch wenn eine Wahl-Sensation nicht ausgeschlossen werden kann, sieht alles nach einem Comeback der CDU/CSU in Regierungsverantwortung aus.
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Da CSU-Chef Markus Söder weiter vehement gegen Schwarz-Grün wettert, ist aktuell eine schwarz-rote Koalition aus Union und SPD besonders realistisch. Doch sollten die Sozialdemokraten ein Wahldebakel erleben und sich nach dem 23. Februar komplett neu aufstellen müssen, wäre „aus staatspolitischer Verantwortung“ keineswegs eine Koalition aus Union und Grünen undenkbar. Söder ist bekannt dafür, seine Ansichten schnell über Bord zu werfen, wenn es für ihn opportun ist. Wie aber könnten das nächste Kabinett konkret aussehen?
Kabinett unter Kanzler Merz: Einige altbekannte Namen werden gehandelt
Wir spekulieren einmal, wer in einer schwarz-roten bzw. schwarz-grünen Bundesregierung unter einem Kanzler Friedrich Merz welchen Posten erhalten könnte und die größten Chancen hätte. Dabei ist vor allem auch der regionale Proporz zu beachten. Problem bei der Union: Viele Anwärter auf Posten kommen, wie Merz selber, aus Nordrhein-Westfalen. Einige könnten daher leer ausgehen.
- Als sicher gesetzt gilt Carsten Linnemann (47, NRW), bisher Generalsekretär der CDU. Denkbar wäre für ihn eine dieser drei einflussreichen Ämter: Finanzminister, Wirtschaftsminister oder Chef des Kanzleramts, als Koordinator im Zentrum der Macht. Den größten eigenen Gestaltungsspielraum hätte er wohl als Herr der Finanzen.
- Jens Spahn (44, NRW) bringt sich als Nachfolger von Robert Habeck in Stellung. Wirtschaftsminister wäre wohl sein nächster Traumjob.
- Sollte die SPD das Verteidigungsministerium abgeben, wäre Johann Wadephul (61, Schleswig-Holstein) der wahrscheinlichste Kandidat der Union. Auch Roderich Kiesewetter (61, Baden-Württemberg) dürfte auf den Posten schielen.
- Nur minimale Außenseiter-Chancen aufs Außenministerin hat Norbert Röttgen (59, NRW), weil in der Regel der kleinere Koalitionspartner dieses prestigeträchtige Ressort beansprucht.
- CSU-Chef Söder hat bereits klargemacht, dass aus seiner Sicht der bayerische Bauernpräsident Günther Felßner (58) nächster Landwirtschaftsminister werden soll. Außerdem will er CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt (54) ein „großes und schweres Ministerium“ sichern. Wird es wieder das Verkehrsressort? Fast unvorstellbar nach der desaströsen Bilanz der bisherigen CSU-Minister in diesem Amt.
- Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU, dürfte auch bei der Postenvergabe eine wichtige Rolle spielen. Der 51-Jährige stammt aus Baden-Württemberg. Möglicherweise ein Kandidat fürs Amt des Kanzleramtschefs?
- Bekommt Philipp Amthor mit 32 Jahren schon eine Minister-Chance? Sein Pluspunkt: Er kommt aus Mecklenburg-Vorpommern, wäre damit also ein ostdeutscher Vertreter im Kabinett. Der Chefsessel im Justizministerium wäre theoretisch denkbar.
- Und die Frauen der Union? Eine Überraschung könnte Silvia Breher (51, NRW) werden. Die stellvertretende Parteivorsitzende der CDU könnte Ambitionen auf das Familienministerium haben. Ansonsten werden auch Julia Klöckner (52, Rheinland-Pfalz) sowie Dorothee Bär (46) von der CSU gehandelt, etwa für ein neues Amt als Digitalministerin.
Schwarz-Rot: Wie groß wäre der personelle Umbruch bei der SPD?
Wie schaut es bei den Sozialdemokraten aus? Je nachdem, wie massiv die absehbare Wahlniederlage der SPD ausfallen könnte (unter 20 Prozent?), wäre ein kompletter personeller Umbruch vorstellbar, bevor man in eine Regierung unter Bundeskanzler Merz eintritt.
- Als ziemlich gesetzt dürfte dennoch aber Boris Pistorius (64, Niedersachsen) gelten, der aktuell beliebteste Politiker des Landes. Es wäre schwer vermittelbar, wenn die SPD ihn nicht erneut in die Regierung schicken würde. Logisch wäre, dass er als Verteidigungsminister weitermacht. Doch auch ein Wechsel ins Innenministerium erscheint aufgrund seiner politischen Vita denkbar. Mit einem Schlüsselressort könnte er sich als möglicher Kanzlerkandidat für 2029 in Spiel bringen.
- Schon seit 2018 ist Hubertus Heil (52, Niedersachsen) Minister für Arbeit und Soziales. Er soll aber auch am SPD-Fraktionsvorsitz Interesse haben.
- Ein weiter Niedersachse: Lars Klingbeil (46). Je nach Wahlausgang könnte der Parteichef jedoch auch abstürzen und aus der ersten Reihe der Partei zurücktreten müssen. Ansonsten wäre ein Posten im Kabinett gut vorstellbar, wobei er sich in Konkurrenz mit Pistorius um das Verteidigungs- oder Innenministerium bemühen könnte.
- Die stellvertretende Fraktionschefin und Unternehmerin Verena Hubertz (37, Rheinland-Pfalz) ist eine der Zukunftshoffnungen der SPD. Sie könnte vielleicht das Ministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bau übernehmen oder Chefin im von Merz geplanten Ministerium für Digitales werden.
- Ein besonders wichtiger Name der kommenden SPD-Zeit dürfte Dirk Wiese (41, NRW) sein. Der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises wäre ein weiterer Anwärter auf das Innenministerium, alternativ vielleicht auch für das Justizministerium.
- Der derzeitige Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (48, Thüringen), ist ebenfalls jemand, der in der SPD noch weiter nach vorne rücken könnte. Etwa als nächster Finanzminister? Oder darf Lindner-Ersatzmann Jörg Kukies (56, Rheinland-Pfalz) den Job weitermachen?
- Da die SPD aber erneut um eine Geschlechterparität im Kabinett bemüht sein dürfte, zumindest bei den eigenen Posten, lohnt ein Blick nach Brüssel. Wäre ein Ministerin-Comeback von Katharina Barley (56, Rheinland-Pfalz) als nächste Außenministerin vorstellbar? Nach zwei verkorksten Europawahl-Ergebnissen (zuletzt nur noch 13,9 Prozent!) gilt sie allerdings als beschädigt.
Schwarz-Grün: Wenn Söder doch einknickt…
Auch wenn die CSU dagegen trommelt: Sollten die Grünen die Bundestagswahl vor der SPD abschließen, wäre kaum vermittelbar, wieso es nicht zu Schwarz-Grün unter Kanzler Merz kommen soll. Wie könnte dann eine Koalition aussehen?
- Robert Habeck (55, Schleswig-Holstein) dürfte wohl Vizekanzler bleiben. Ob er seinen Posten als Minister für Wirtschaft und Klimaschutz aber verteidigen könnte, erscheint angesichts der Krisenlage im Land fragwürdig. Vielleicht würde er eher das Finanzministerium anstreben, als mächtiger Strippenzieher der Regierung?
- Auch Annalena Baerbock (44, Brandenburg) dürfte weiter gesetzt sein und für sich beanspruchen, weiter Außenministerin zu bleiben.
- Eine regelrechte Blitzkarriere könnte Franziska Brantner (45, Baden-Württemberg) hinlegen. Erst frisch zur Parteichefin gewählt, könnte die bisherige Parlamentarische Staatssekretärin ab Frühjahr Ministerin werden, etwa im Ressort wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung oder als Ressortleiterin für den Bereich Familien, Frauen, Senioren und Jugend.
- Besonders spannend, insbesondere vor dem Hintergrund von Schwarz-Grün, könnte die Personalie Konstantin von Notz (53, Schleswig-Holstein) werden, der als Innen- oder Justizminister in Frage kommen könnte.
- Denkbar wäre auch, dass die Grünen jemanden aus schwarz-grün regierten Bundesländern in die Bundespolitik befördern. Der baden-württembergische Finanzminister Danyal Bayaz (41) wäre ein Name, der hierbei spannend werden könnte. Zumal ihm ein weiterer Karrieresprung im Ländle verwehrt bleibt, wo nun Cem Özdemir die Grünen als Spitzenkandidat in die nächste Landtagswahl führt.
- Ebenso interessant wäre ein Wechsel von Aminata Touré (32) die seit 2022 in Schleswig-Holstein Ministerin für Soziales, Familie und Integration ist – unter dem CDU-Ministerpräsidenten Daniel Günther. Bei der Union wäre im Gegenzug Katrin Prien (59) eine Landesministerin aus dem hohen Norden, die reichlich Erfahrung in Sachen Schwarz-Grün in die Hauptstadt mitbringen könnte.
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Mit Sicherheit wird es in der nächsten Bundesregierung, welche Farben sie auch immer haben wird, neue Namen und vielleicht die ein oder andere Überraschung geben. Vor allem die SPD steht vor einem Umbruch beim Spitzenpersonal, doch auch die Grünen hätten dann die Chance, neue Kräfte auch aus den Bundesländern in Berlin zu positionieren.