Zwei Welten treffen beim CDU-Parteitag am Montag (3. Februar) vor der Bundestagswahl aufeinander. Draußen vor dem CityCube in Berlin demonstrieren Merz-Kritiker, drinnen sieht man sich sogar trotz der bundesweiten Proteste gestärkt für das Finale des Wahlkampfes. Dabei wird klar: Der Wortbruch von Friedrich Merz ist für viele unentschuldbar. Die Enttäuschung und Verunsicherung darüber wird in den Statements von ganz normalen Demo-Teilnehmern deutlich.
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Der Demonstrant Anselm Hahn spricht von einem „absoluten Dammbruch“ durch die Merz-Union. „Wenn eine sehr große Partei ihren demokratischen Kompass verliert, dann ist es an der Zivilgesellschaft, ihr ein Signal zu senden: ‚Kommt bitte wieder auf den Weg!‘ Im Moment hat sich die CDU ganz schön verirrt.“
Demonstranten wehren sich gegen Vorwurf: „Wir sind normal“
Linksradikal seien er und die Mitdemonstranten nicht. „Wir sind normal“, so Hahn. „Wir wollen einfach nur, dass es bei der demokratischen Mitte bleibt. Ich habe überhaupt kein Problem mit einem CDU-Kanzler. Wenn der vernünftige Thesen hätte, würde ich den sogar wählen. Aber in der Verfassung kann man die CDU und Merz einfach nicht wählen.“
Auch Jana Henck kann nicht verstehen, dass Demonstranten nun von der Union in eine radikale Ecke gestellt werden. „Wir sind einfach nur laut und präsent“, so Henck. Sie sei zum Protest gekommen, weil die CDU reflektieren müsse, dass der Weg nicht in Ordnung sei und Grenzen überschritten wurden.
„Merz ist kein Vorbild mehr“
Merz sei „so unstet und wandelbar“, er habe sich „emotionalisieren lassen“ von dem Fall in Aschaffenburg, so dass er einfach kein guter Kanzlerkandidat sei, urteilt sie. „Es ist sehr schwierig ihm zuzutrauen, dass er in den nächsten Jahren rationale Entscheidungen treffen wird“, meint Henck. Außerdem sei der Kanzlerkandidat kein Vorbild für die CDU in den Bundesländern. So könnten die Geschehnisse im Bundestag „vielleicht nur der erste Stein“ gewesen sein und in den Bundesländern die nächsten Schritte folgen, befürchtet sie.
In der Gruppe der Demonstranten steht auch Carsten Zehner, der „einfach erschüttert“ und „schockiert“ sei über die Geschehnisse im Bundestag. „Es fängt immer klein an“, warnt er. Die nächsten Schritte, etwa weitere Gesetze unter Zustimmung der AfD, könnten folgen. „Man kann Friedrich Merz als Kanzlerkandidat nicht mehr vertrauen“, meint Zehner – trotz aller Beteuerungen der CDU. „Es fällt mir schwer, ein Vertrauen zu haben, wenn das schon gebrochen wurde.“ Denn es habe eine Reihe an Wortbrüchen gegeben, „warum soll das nächste Wort gelten?“, fragt er.
Auch professionelle Aktivistinnen und Aktivisten stehen in Berlin vor dem CDU-Parteitag. So wie Carla Reemtsma von Fridays for Future. Sie wirft Merz und der Partei vor, die Demokratie mit Füßen getreten zu haben. „Das darf nicht sein, wenn die CDU Verantwortung übernehmen und Kanzlerpartei werden will“, so die Klimaaktivistin. Sie fordert Merz auf, diesen Fehler zu korrigieren. Eine gemeinsame Abstimmung mit der AfD dürfe „nie, nie wieder passieren“.
Greenpeace-Sprecher Sebastian Neuwirth kritisiert einen „absoluten Tabubruch“ durch die Union und „Zäsur in der deutschen Nachkriegsgeschichte“. Merz habe „die Werte seiner eigenen Partei über Bord“ geworfen. Er wünsche sich, dass sich die CDU-Delegierten gegen den „harten Rechtsruck von Friedrich Merz stellen“, ansonsten disqualifiziere sich die Partei. Denn es dürfe „keine demokratische Partei in diesem Land geben, die mit Rechtsextremen gemeinsame Sache macht“.
CDU-Basismitglied: „Schwierige Woche, aber viel Zuspruch“
Ganz anders ist die Wahrnehmung in der Halle. Das CDU-Basismitglied Thies Fischer aus dem Kreisverband Friesland räumt zwar ein, dass es „eine schwierige Woche“ war. Gleichzeitig aber erlebe er eine „neue Kraft der Einigkeit und Geschlossenheit“ im Wahlkampf.
Tatsächlich habe Fischer viel Zuspruch an den CDU-Wahlkampfständen mitbekommen. Es habe „gute Rückmeldungen“ aus dem Wahlvolk gegeben, dass man das Asyl-Thema nun aus der demokratischen Mitte angehe. Fischer zeigt sich zuversichtlich, dass das für die Bundestagswahl und Kanzlerkandidatin Merz „gut Aufschwung bringen“ könnte.
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Ganz ähnlich sieht das auch Anissa Saysay, Bürgermeisterkandidatin der CDU in Dormagen. Es gebe eine „sehr positive Stimmung“ an den CDU-Wahlkampfständen, so Saysay. Ihre Partei sei jetzt inhaltlich klarer unterwegs und die Menschen seien dankbar, „dass es jetzt Antworten gibt auf Fragen, die uns in der Vergangenheit viel beschäftigt haben“.