Dieser Clip dürfte für viele Menschen kaum zu ertragen sein. Er dreht sich um sexuelle Gewalt und könnte viele Betrachterinnen und Betrachter triggern. Der Inhalt ist geschmacklos, das stellte auch ein Gericht fest – und doch musste das ZDF diese Wahlwerbung ausstrahlen. Zur Bundestagswahl ruft Die PARTEI mit einem Video über eine fiktive Vergewaltigung von Friedrich Merz für Stimmen gegen den CDU-Chef auf. Hintergrund ist ein früheres Abstimmungsverhalten des Christdemokraten im Bundestag.
Dieser Clip aber wird von vielen als Grenzüberschreitung angesehen. Er ist auf jeden Fall der Tiefpunkt vor der Bundestagswahl.
+++ Lesenswert: Nach AfD-Eklat von Vance: Pistorius, Scholz und Merz reagieren standhaft +++
Mann wird von Frauen verfolgt – auch daheim wartet der Albtraum
Zu Beginn blendet Die Partei ein, dass das Video „KI-generiete Elemente“ enthalte. Der Zuschauer sieht einen Mann im edlen Mantel, mit teurer Armbanduhr und scheinbar mit Luxus-Einkäufen (eine KaDeWe-Tasche wird eingeblendet) auf dem Heimweg. Später wird klar, dass es sich um Friedrich Merz handeln soll. Es ist kurz vor 20 Uhr und dunkel. Mit zügigen Schritten bewegt sich Merz durch die düsteren Straßen, da spricht ihn eine erste Frau an: „Ey, Süßer, ganz allein unterwegs?“ Sie verfolgt den Mann, der nun panisch wird. Prompt stoßen weitere Frauen hinzu, die Merz nun nicht mehr in Ruhe lassen. Obszöne Bemerkungen wie „geiler Arsch“ fallen.
Letztlich wird Merz von fünf Frauen überwältigt und zu Boden gerissen. Sie begrabschen ihn und streiten sich um ihre „Beute“. Irgendwie kann sich Merz doch noch befreien. Er ist einem Missbrauch offenbar nur knapp entgangen und rennt nach Hause. Doch daheim angekommen, beginnt der richtige Horror erst!
Man sieht nun erstmals das Gesicht des KI-generierten Fake-Merz. Noch außer Atem und mitgenommen sitzt er auf dem Sofa. Da betritt eine weitere Frau mit Stöckelschuhen die Szene. Dominant fasst sie den Fake-Merz in den Nacken. Direkt danach hört man Schmerzensschreie des Mannes. Nun wird ein scheinbares Foto des Ehepaares Merz eingeblendet, seine Frau Charlotte ist darauf verpixelt. Eine weibliche Sprecherin sagt: „Trotz allem… Frauen sind gegen die Vergewaltigung von Friedrich Merz in der Ehe. Zurecht. Wählen Sie deshalb Die PARTEI.“
Merz stimmte gegen Strafbarkeit von Vergewaltigungen – doch der Kontext ist zu beachten
Was soll das? Der Spot ist offensichtlich eine Anspielung darauf, dass Merz 1997 gegen einen Gesetzentwurf im Bundestag gestimmt hat, der die Vergewaltigung in der Ehe strafbar machte. Er war einer von 138 Abgeordneten, die sich gegen das Gesetz entschieden.
Merz erklärte später, er habe sich nicht gegen die Strafbarkeit der Vergewaltigung ausgesprochen, sondern für eine Widerspruchsklausel. Diese Klausel sollte ermöglichen, dass eine Strafverfolgung des Mannes nicht erfolgt, wenn die Frau den Vorwurf später zurückzieht. Im Jahr 2020 rechtfertigte sich der Politiker dafür auf Facebook. Er habe befürchtet, „dass Strafverfahren durch Falschbehauptungen zerstrittener Ehepartner dem berechtigten Schutzinteresse betroffener Frauen eher schaden als nützen würden“. Merz würde aber aus heutiger Sicht „anders entscheiden“.
Was für den Kontext noch wichtig ist: Im Jahr 1996 stimmte Merz tatsächlich für einen Gesetzentwurf, der Vergewaltigungen in der Ehe strafbar machen sollte, allerdings auch die umstrittene Widerspruchsklausel beinhaltete. Dieser Antrag fand im Parlament daher keine Mehrheit, woraufhin 1997 der zweite und modifizierte Gesetzentwurf in den Bundestag kam, den Merz ablehnte.
ZDF verlor vor Gericht: Spot musste ausgestrahlt werden
Feministinnen und auch viele Influencerinnen im Netz werfen Merz sein damaliges Abstimmungsverhalten aus dem Jahr 1997 bis heute vor. Diese Abstimmung und einige Zitate des CDU-Chefs, etwa zur Quote, gelten als Belege für sein mutmaßlich rückständiges Frauenbild.
Weitere Nachrichten für dich:
Das ZDF weigerte sich zunächst den PARTEI-Clip mit der fiktiven Vergewaltigung auszustrahlen. Das Verwaltungsgericht Mainz aber urteilte, dass er gezeigt werden müsse. Zwar sei der Clip „grenzwertig und geschmacklos“, aber gedeckt von der Meinungsfreiheit und der Betätigungsfreiheit der PARTEI im Wahlkampf. Es werde deutlich, dass es sich um eine satirische Überzeichnung handelt, mit der ungewöhnlichen Perspektive eines Mannes in der Rolle als Opfer von sexualisierter Gewalt durch Frauen.