- Krisen-Plan der Regierung hat viele Deutsche offensichtlich ins Grübeln gebracht
- Ein Lebensmittel-Vorrat allein reicht vielen Bürger offenbar aber nicht aus
- Seit einigen Tagen verzeichnen Notfall-Ausrüster einen regelrechten Bestell-Boom
München/Berlin.
Wohin aufs Klo, und wie komme ich im Ernstfall an sauberes Trinkwasser und Essen? Für manche Kritiker mag der Krisen-Plan der Bundesregierung reine Panikmache sein, aber viele Bürger in Deutschland hat er offensichtlich ins Grübeln gebracht. Seit einigen Tagen verzeichnen Notfall-Ausrüster einen regelrechten Bestell-Boom.
Zwar empfiehlt das Konzept lediglich, einen Vorrat an Lebensmitteln und Wasser für einige Tage anzulegen – doch mancher möchte lieber gleich für längere Zeit auf Nummer sicher gehen. Notfall-Pakete mit Trockennahrung, Tabletten zur Wasserreinigung, Einmaltoiletten, Kurbelradio, Sturmlaterne und Gaskocher finden derzeit verstärkten Absatz – ob vom Versandriesen Amazon oder vom kleinen Spezial-Anbieter.
„Seit Sonntagabend drehen die Leute am Rad“
„Seit Sonntagabend drehen die Leute am Rad. Wir arbeiten mehr oder weniger rund um die Uhr“, berichtet beispielsweise Benjamin Bleich vom Anbieter SeguRisk aus Hilden. Schon oft hat sich der Unternehmer, der den Versand seit zehn Jahren betreibt, als eine Art Weltverschwörer belächelt gefühlt, weil sein Sortiment auf Krisenfälle abhebt. „Man muss das aber wie eine Versicherung sehen“, sagt Bleich. Die schließe man ja auch nur für den Fall der Fälle ab – und wenn man sie nicht braucht: umso besser.
Bisher zählten Anbieter wie SeguRisk vor allem Menschen zu ihren Kunden, die sich regelmäßig mit Vorbereitungen auf den möglichen Katastrophenfall auseinandersetzen – sogenannte Prepper. Der Krisen-Plan der Regierung ruft auch andere Teile der Bevölkerung auf den Plan. Stephan Brienen, Inhaber des Online-Händlers Prepper-Shop, hat solche Effekte schon häufiger beobachtet: Bei Medienberichten etwa über längere Stromausfälle oder eine Wasserknappheit in bestimmten Regionen machten sich die Leute eben Gedanken: Was ist, wenn so etwas auch hier in Deutschland passiert?
Das Geschäft mit Dosen-Brot explodiert gerade
Das kennt auch Horst Magiera von der Dauerbrot GmbH im schleswig-holsteinischen Traventhal. Das Geschäft mit Dosenbrot explodiere regelrecht seit einigen Tagen, sagt Firmeninhaber Horst Magiera. Mit einem Dauer-Schub rechnet er allerdings nicht. „Das ist ein vorübergehender Hype, der sich in 14 Tagen wieder gelegt hat“, glaubt der Firmeninhaber.
Ganz billig ist die Notfall-Versorgung indes nicht. Ein Zehn-Tages-Paket, mit dem sich die Kunden für etwaige Ausfälle der Wasser-, Strom- oder Gasversorgung rüsten können, ist beim Prepper-Shop für 249 Euro zu haben. Wer sich für 90 Tage mit Fertignahrung eindecken will, muss beispielsweise beim Anbieter Conserva.de zwischen etwa 800 und 1500 Euro hinblättern – je nach persönlichen Ansprüchen an die tägliche Zahl der Mahlzeiten und Geschmack. Die Palette reicht von Hühnchen süß-sauer über Rührei mit Kochschinken und Bratkartoffeln bis zu Kirschkuchen aus der Dose. Und auch Vegetarier müssen im Notquartier nicht hungern, wenn sie vorgesorgt haben: Es gibt auch fleischlose Notfall-Pakete.
Supermärkte merken nichts von Hamsterkäufen
Im deutschen Lebensmittel-Handel sieht man derweil noch keinen großen Ansturm auf Mineralwasser, Konserven oder Trockennahrung. „Es gibt nullkommagarkeine Veränderungen“, meint ein Sprecher der Rewe-Gruppe. Das gelte für Rewe, aber auch für die konzerneigene Discounterkette Penny und für die toom-Baumärkte des Handelsriesen. Auch bei Aldi Süd gab es „keine vermehrte Nachfrage nach bestimmten Vorräten“. Aldi Nord bemerkte ebenfalls „nichts Auffälliges“ in den Geschäften.
Spürbar würde ein solcher Nachfrageschub auch erst, wenn es tatsächlich zu regelrechten Hamsterkäufen käme, also deutlich mehr Menschen als sonst über einen längeren Zeitraum „in nicht haushaltsüblichen Mengen“ einkaufen, erläutert Christian Böttcher vom Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels.
Wirtschaft gut gerüstet für Krisenfälle
Grundsätzlich gebe es Notfallmaßnahmen und -pläne für bestimmte Risiken wie Stromausfälle durch Cyberattacken. So sind große Zentrallager mit Notstromaggregaten ausgerüstet. Für jegliches Szenario aber kann sich auch die Lebensmittel-Branche nicht rüsten. „Auf den Ausnahmefall kann man sich eben nur in gewissen Grenzen vorbereiten“, sagt Böttcher.
Das Münchner Beratungsunternehmen Corporate Trust sieht auch die übrige Wirtschaft grundsätzlich gut gerüstet für Notfälle, die sofortiges Handeln erfordern, wie Geschäftsführer Uwe Knebelsberger sagt. Nachholbedarf gebe es aber noch beim strategischen Krisenmanagement.
Zweifel, ob Krisenkonzept der Regierung viel bewirkt
Auch die Bürger könnten sich besser schützen, meint Knebelsberger. „Allerdings bin ich skeptisch, dass aus dem neuen Konzept der Bundesregierung die Bürger mehr Eigeninitiative entwickeln werden“, sagt er. „Schließlich wissen wir auch, dass wir einer Zunahme von Haus- und Wohnungseinbrüchen gegenüber stehen – und wie viele Prozent der Bevölkerung haben ihren Schutz tatsächlich verbessert?“ (dpa)