Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sagt, er wolle das öffentliche WLAN fördern. Kritiker werfen ihm vor, das Gegenteil zu bewirken.
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Für seine Pläne, neue Regeln für den freien Internet-Zugang einzuführen, schlägt Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) viel Kritik entgegen – auch von der nordrhein-westfälischen Landesregierung.
Der Bund will in einem neuen „Telemediengesetz“ offene Fragen zur so genannten „Störerhaftung“ klären. Bisher müssen zum Beispiel Gastronomen, die ihren Gästen Zugang zum Internet bieten, haften, wenn die Gäste illegale Seiten besuchen. Künftig sollen die Nutzer vor dem Internet-Surfen persönlich erklären, dass sie nichts Illegales vorhaben. Nach Einschätzung vieler Experten ist diese Idee viel zu kompliziert. Sie bremse womöglich sogar den Ausbau des freien Internets.
NRW-Medienministerin Angelika Schwall-Düren (SPD) hat zudem „große Sorge“, dass der Gesetzentwurf „das rechtliche Umfeld für Freifunk und freies WLAN komplizierter macht“. Denn auch die Freifunker sollen ermitteln, welche Nutzer ihr Angebot annehmen. Bei der Unübersichtlichkeit des Freifunks ist dies wohl unmöglich. Möglicherweise, so die Ministerin gegenüber dieser Redaktion, führe ein solches Gesetz sogar dazu, dass es künftig weniger statt mehr öffentliche WLAN-Angebote gebe.
NRW-Freifunk sehen sich in die Schranken gewiesen
Die NRW-Landesregierung erinnert an zahlreiche erfolgreiche Kooperationen zwischen Kommunen und Freifunk-Initiativen, zum Beispiel in Arnsberg und Hückeswagen. „Die Möglichkeiten, durch Nutzung und Ausbau dieser unkonventionellen Angebote technische wie gesellschaftliche Teilhabe zu sichern, sollten nicht ungenutzt bleiben,“ unterstreicht Schwall-Düren. Es ist kein Geheimnis, dass Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) den Ausbau öffentlicher WLAN-Netze für einen wichtigen Schritt zur Digitalisierung des Landes hält.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will ebenfalls öffentliche WLAN-Netze ausbauen. Denn er weiß, dass Deutschland beim Thema freies Internet international nicht vorne mitmischt. In Großbritannien gibt es zum Beispiel zehnmal mehr öffentliche Hotspots als hierzulande. Mit einem überarbeiteten „Telemediengesetz“ möchte Berlin bald die „Handbremse lösen“, wie Gabriel es ausdrückt.
Bleibt Deutschland weiter eine „WLAN-Wüste“?
Aber um den Gesetzentwurf aus seinem Hause tobt ein heftiger Streit. Die NRW-Landesregierung, die Verbraucherzentralen und der Verband der Internetwirtschaft, Eco, halten ihn für schlecht geschrieben. „Damit bleibt Deutschland eine WLAN-Wüste“, meint zum Beispiel Eco-Vorstand Oliver Süme. Der Verband hält die Pläne des Bundes gar für „europarechtswidrig“.
Geplant ist, dass „geschäftsmäßige Anbieter“ von freiem WLAN wie Gastronomen, Hotels oder auch Verwaltungen künftig „zumutbare Maßnahmen ergreifen müssen“, um Missbrauch zu vermeiden. Dazu gehören Verschlüsselungsmaßnahmen, um einen unkontrollierten Zugriff von außen auf den Internet-Zugang zu verhindern. Und Nutzer, zum Beispiel die Gäste in einem Café, müssen vor dem Aufrufen von Seiten erklären, dass sie „keine Rechtsverletzungen“ begehen. Vorteil für die WLAN-Anbieter: Sie müssen nicht mehr haften, wenn ein Nutzer verbotene Seiten besucht oder illegal Musik herunterlädt.
Neuer Aufwand statt freies Internet
Für „sonstige Diensteanbieter“ wie Privatleute oder die blühenden Freifunk-Initiativen sind weitere Einschränkungen geplant: Sie sollen die Namen der Nutzer kennen, denen sie Zugang zum Netz gewähren. Für Freifunker ist das schlicht nicht zu leisten. Wer solche Regeln einführen will, der fördert nicht den freien Zugang zum Internet, sondern verhindert ihn sogar, sagen Kritiker.
Oliver Süme von Eco lässt kein gutes Haar an dem Gesetzentwurf: .“Anstatt einen einfachen und unkomplizierten Zugang zu öffentlich zugänglichen WLAN-Diensten zu ermöglichen wird dies durch Anmelde- und Registrierungsprozesse konterkariert und neuer Aufwand geschaffen.“
NRW-Medienministerin Angelica Schwall-Düren (SPD) erinnert an den Koalitionsvertrag des Bundes und das darin formulierte Ziel: mobiles Internet über WLAN für jeden Bürger. Die Berliner Pläne machten „Freifunk und freies WLAN komplizierter“. Der Gesetzentwurf werde dem Anspruch, das freie Internet auszubauen, „noch nicht gerecht“. Die Ministerin erkennt eine Benachteiligung gerade der privaten Anbieter. Die Verbraucherzentralen halten Gabriels Vorschläge sogar für „grundsätzlich verfehlt“. Von den Anforderungen des digitalen Zeitalters seien sie jedenfalls weit entfernt.