Und plötzlich debattiert die Hauptstadt wenige Tage vor der Bundestagswahl darüber, ob sich Kanzler Olaf Scholz rassistisch geäußert hat. Er räumt ein, den CDU-Politiker Joe Chialo ins Gesicht als „Hofnarr“ seiner Partei bezeichnet zu haben. Chialo hat eine dunkle Hautfarbe, es ging bei dem Gespräch um die von Scholz befürchtete Annäherung der Union an die AfD.
Nun stellt sich die Frage: Wieso sollte Chialo ein „Hofnarr“ sein? Der „Focus“ und führende Vertreter der Union setzten die Aussage in den Kontext seiner Hautfarbe. Scholz besteht darauf, dass er es anders meinte. Chialo sei als einer der prominenten liberalen Stimmen seiner Partei ein „Hofnarr“ in der Merz-CDU.
++ Mehr zum Thema: Olaf Scholz schaltet Star-Anwalt gegen „Focus“ ein! Hat er CDU-Politiker rassistisch beleidigt? ++
Scholz: „Alles kann man mir vorwerfen, aber das ganz bestimmt nicht“
Im Gespräch mit „Spiegel“-Journalist Markus Feldenkirchen stellt sich der Bundeskanzler jetzt als Opfer von üblen Rassismus-Vorwürfen dar – einer Kampagne des konservativen „Focus“ zusammen mit der Union. Doch eine Frage bleibt: Wieso entschuldigt er sich nicht einfach öffentlich für seine Wortwahl, wenn diese doch so missverständlich sein kann und von Chialo rassistisch aufgefasst wurde? Noch hat sich der Christdemokrat selber dazu nicht öffentlich geäußert.
Zehn Tage hat es gedauert, bis die Grenzverletzung im Streitgespräch zwischen Scholz und Chialo durch den „Focus“ öffentlich gemacht wurde. Mitten in der heißen Wahlkampfphase. Scholz weist entschieden zurück, dass er die Bezeichnung „Hofnarr“ rassistisch gemeint habe: „Ich bin aus allen Wolken gefallen. Alles kann man mir vorwerfen, aber ganz bestimmt nicht, dass ich ein Rassist bin und dass ich irgendjemanden in dieser Hinsicht adressiere, wie das jetzt hier insinuiert wird.“
Weiter erklärt er im Interview, er sei davon überzeugt, dass liberale Gesichter in der CDU wie Chialo „herhalten“ müssten, um für Vertrauen zu werben, während sich die Parteiführung der Merz-Union immer mehr der AfD annähert. „Klar“ habe er „Hofnarr“ in diesem Kontext gesagt, räumt er ein. Doch das habe er „auch schon öfter und zu anderen gesagt“. Ein rassistischer Zusammenhang sei „an den Haaren herbeigezogen“.
Dass ihm nun Rassismus vorgeworfen wird, habe ihn persönlich schwer betroffen. Deshalb habe er auch einen Rechtsanwalt beauftragt. Wer ihn in einem falschen Kontext zitiere, müsse damit rechnen, dass er vor Gericht gehe, droht Scholz dem „Focus“ und anderen Medien.
Berlin im Wahlkampf, während Trump Weltpolitik macht
Und während die Berliner Republik aufgeregt über dieses Gespräch debattiert, schaffen Donald Trump und Wladimir Putin offenbar Fakten in der Ukraine. Sie prägen damit auch die Rahmenbedingungen der Politik der nächsten Bundesregierung des designierten Kanzlers Merz. Wie auch immer diese Koalition genau aussehen wird.
Weitere Nachrichten für dich:
Irgendwie ist es ein provinzielles Wahlkampftheater um einen Noch-Kanzler, der angesichts von 15 bis 17 Prozent in den Umfragen sowieso im Prinzip schon längst abgewählt ist…