Die Olympischen Spiele sind vorbei – und mit einiger Ernüchterung blicken viele in Deutschland auf den finalen Medaillenspiegel. Nur Platz 10. Die Platzierung bei Olympia 2024 scheint ins Bild eines Landes zu passen, das die besten Zeiten hinter sich hat und sich langsam von der Weltspitze verabschiedet.
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Oder sehen es die Untergangspropheten wieder zu düster? Drei differenzierte Wahrheiten über die Olympia-Bilanz des deutschen Teams.
Erste Wahrheit: Seit 1992 geht es bei Sommerspielen bergab
Es ist unbestreitbar: Die Medaillen-Ausbeute ist die schlechteste Bilanz für Deutschland bei Sommerspielen seit 1956. Nach der Wende holte das wiedervereinigte Deutschland sogar 82 Medaillen bei den Olympischen Spielen von Barcelona 1992. Seitdem werden es immer weniger und weniger. Waren es in Tokio 2021 noch 37 Medaillen, reichte es nun nur noch zu 33. Dabei waren aus Russland nur wenige Sportlerinnen und Sportler am Start – es gab also eigentlich mehr Chancen auf Top-Platzierungen.
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Olaf Taber, Chef de Mission für Paris beim Deutschen Olympischen Sportbund, räumt gegenüber „Welt am Sonntag“ eine „Rückwärtsbewegung“ im Medaillenspiegel ein. Bei Sportarten wie Rudern oder Fechten ging Deutschland sogar leer aus.
Zweite Wahrheit: Deutschland ist bei Olympia breit aufgestellt
Allerdings holte das Team insgesamt zwei Goldmedaillen, mehr als bei den Sommerspielen zuvor. Deutschland ist aber immer noch breit aufgestellt und in zahlreichen Sportarten nah dran an der Weltspitze. Das betont auch Tabor gegenüber „Welt am Sonntag“: „Wir können leistungsmäßig mit der Weltspitze an vielen Stellen mithalten, haben es vielfach unter die Top Acht gebracht“. Gegenüber Eurosport beklagte er, dass man „die eine oder andere Medaille liegen gelassen“ habe mit einigen vierten oder fünften Plätzen.
Zwar war Deutschland vor allem wieder im Reitsport und bei den Kanu-Wettbewerben erfolgreich, doch ist man insgesamt in vielen Sportarten vorne dabei. Japan dagegen holte allein elf Olympia-Medaillen im Ringen und acht beim Judo. Das Land war im Medaillenspiegel erfolgreicher als Deutschland, aber eben auch deutlich spezialisierter.
Vergessen sollte man zudem nicht: Deutschland ist auch im Wintersport an der Spitze und belegte bei den Winterspielen 2022 den zweiten Platz im Medaillenspiegel, ebenso wie schon 2018.
Dritte Wahrheit: Auf die Größe allein kommt es nicht an
Gemessen an der Bevölkerungsgröße war vor allem das Abschneiden der Niederlande bemerkenswert. Das kleine Land erreichte 34 Medaillen – Respekt! Bei der Sportförderung kann sich Deutschland etwas abschauen bei den Nachbarn. Auch Neuseeland präsentierte sich mit Platz 11 im Medaillenspiegel verhältnismäßig stark. Doch die Gleichung Bevölkerungsgröße = Medaillenstärke zieht sowieso oft nicht. Das zeigt auch das Beispiel Indien. Trotz über 1,4 Milliarden Einwohnern kam das Land nur auf mickrige sechs Medaillen.
Dass der zehnte Platz im Medaillenspiegel also sinnbildlich für den „Absturz“ Deutschlands steht (der immer noch drittgrößten Volkswirtschaft der Welt), darf bezweifelt werden. Könnte man die Leistungsfähigkeit eines Landes an der Medaillenausbeute ablesen, wäre die DDR noch bis 1988 weit vor der Bundesrepublik gewesen. Wahr ist aber, dass Deutschland sich bei der Sportförderung strecken muss, um bei Olympia 2028 mithalten zu können. Eine Bewerbung für die Sommerspiele 2040 könnte da viel Bewegung reinbringen.