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Wir machen den Kanzler-Check: Was hat Boris Pistorius tatsächlich drauf?

Ein Helmut Schmidt 2.0: Boris Pistorius könnte Kanzlerkandidat der SPD werden. Doch was kann er? Noch ist er für viele eine Wundertüte.

Boris Pistorius ins Kanzleramt?
© IMAGO / Achille Abboud, IMAGO / Steinsiek.ch

So soll die Bundeswehr der Zukunft aussehen

Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius hat seine Pläne für eine Umstrukturierung der Bundeswehr vorgestellt. In Zukunft wird es demnach nur noch ein zentrales operatives Führungskommando geben. Zusätzlich zu Heer, Luftwaffe und Marine ist eine neue Teilstreitkraft geplant, die den Cyber- und Informationsraum abdeckt.

In der SPD geht es jetzt rund: Bleibt man dem gescheiterten Ampel-Kanzler Olaf Scholz im Bundestagswahlkampf 2025 treu? Oder setzt man auf den beliebtesten Politiker des Landes – Boris Pistorius? Oder wofür steht der Verteidigungsminister eigentlich? Der Verdacht kommt auf, dass der 64-Jährige nur eine Projektionsfläche ist. Ein Anti-Scholz, der aber eigentlich selbst eine „Wundertüte“ ist, wie der „Tagesspiegel“ schreibt. Wir schauen genauer hin.

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Warum wirkt Pistorius auf viele Wählerinnen und Wähler so anziehend, was kann er besser als der Bundeskanzler – und wo liegen Risiken für die SPD?

In seinem Auftreten ähnelt er Helmut Schmidt

Pistorius umgibt das Image eines Machers, eines Anpackers, er steht für Führungsstärke und klare Sprache. In vielen ähnelt er Helmut Schmidt, nicht nur, weil dieser vor dem Sprung ins Kanzleramt ebenfalls Verteidigungsminister war.

Im Internet wird gerne gewitzelt über den Zwillingsbruder bzw. Doppelgänger von Armin Laschet. Die beiden sehen sich tatsächlich sehr ähnlich. Schon direkt nach der Übernahme des Postens des Verteidigungsministers von der unglücklich auftretenden Christine Lambrecht schoss Pistorius in den Beliebtheitsrankings nach oben.

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Mit ihm scheint die „Zeitenwende“ weitaus entschlossener angegangen zu werden. Die Litauen-Brigade, an der NATO-Ostflanke ist sein Großprojekt. Die Bundeswehr im Kriegsfall an der Front zu Russland – dieses Engagement ist zentral, damit Deutschland gegenüber Polen und Frankreich einen Führungsanspruch in Europa behaupten kann. Ein anderes Großprojekt von Pistorius aber, die Wiedereinführung der Wehrpflicht, wurde mittlerweile ziemlich ausgebremst.

Kann er mehr als Sicherheit?

Das größte Risiko für Boris Pistorius als Kanzlerkandidat wäre, dass er bislang nur mit dem Thema Sicherheit verbunden wird. Zunächst als „roter Sheriff“, also Innenminister, in Niedersachsen, jetzt als Bundeswehr-Mann. Doch die Ukraine-Frage allein wird die Wahl nicht entscheiden. Es wird um die Schuldenbremse gehen, um die wirtschaftliche Lage des Landes, das Rentensystem, um die Reform des Bürgergeldes, um die Energiewende.

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Andererseits: Bisher konnte Pistorius in allen Bereichen überzeugen und überraschen. Innere Sicherheit und Verteidigung sind nicht gerade Politikfelder, die klassisch mit der SPD verbunden werden. Doch auch als Bundesminister arbeitete er sich schnell ein und verschaffte sich Respekt.

Ein weiterer Vorzug verbindet ihn mit Helmut Schmidt: Er könnte für die SPD bürgerliche Wählergruppen gewinnen, die ansonsten eher CDU-nah sind. Eben weil er für Law&Order und in seiner Partei eher rechts steht. Nebenbei bemerkt: Eine Sache verbindet ihn sogar mit Angela Merkel – er beherrscht auch die russische Sprache. Russisch war sogar eines seiner Abiturfächer.

SPD-Linke und der Parteirechte Pistorius – kann das auf Dauer gutgehen?

Doch es gibt noch weitere Probleme und Risiken bei einer Kanzlerkandidatur. Ein Risiko teilt er mit den Kanzlerkandidaten Friedrich Merz und Robert Habeck. Noch nie ging er bei einer größeren Wahl als Spitzenkandidat ins Rennen. Er wäre dann voll im Rampenlicht, jeder kleine Patzer wäre eine große Schlagzeile – kann er auch da bestehen oder erlebt die SPD eine Pleite wie 2017, mit dem damaligen Hoffnungsträger Martin Schulz?

Und dann ist da noch der linke Flügel der SPD. Wären Querschüsse im Wahlkampf zu erwarten? Schon einmal sorgte er für Entsetzen bei den linken Sozialdemokraten, als er erklärte, Deutschland müsse „bis 2029 kriegstüchtig sein“. Kriegstüchtig, nicht verteidigungsfähig. Das ist nicht die Sprache eines Fraktionschef Rolf Mützenich, eines Ralf Stegners, der Jusos und anderer Genossen, die den Ukraine-Krieg am liebsten einfrieren würden und mit der Bundeswehr fremdeln. Auch unklar ist, ob Pistorius der strikten Kurs der Taurus-Ablehnung von Scholz folgen würde, wenn er selbst im Kanzleramt säße.

Witwer, Kinder, Familie: Mit seiner Herkunft können sich die Menschen identifizieren

Ein großer Pluspunkt für Pistorius, besonders im Vergleich zu Scholz: Er wirkt viel nahbarer. Seine ganze Biografie bietet mehr Raum zur Identifikation. So war er Oberbürgermeister in der mittelgroßen Stadt Osnabrück, ist dort verwurzelt, hat eine Dauerkarte beim lokalen Fußballverein VfL Osnabrück.

Er ist Familienmensch, Vater zweier Töchter, musste 2015 einen Schicksalsschlag erleben, als seine erste Ehefrau Sabine an Krebs verstarb. Mittlerweile ist er in zweiter Ehe mit der Politikwissenschaftlerin Julia Schwanholz verheiratet.

Für Pistorius war seine Mutter ein politisches Vorbild

Seine Herkunft ist klassisch sozialdemokratisch. Er stammt aus einfachen Verhältnissen, seine Eltern waren DDR-Flüchtlinge. Er wuchs mit zwei Brüdern auf. Der Ältere der beiden, Harald, ist Sportredakteur bei der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Seine Mutter Ursula war für den Bundesminister ein politisches Vorbild. 1978 schaffte sie es in den niedersächsischen Landtag. Sie habe ihm vorgelebt, dass es „immer zuerst um die Sache und die Menschen, dann erst um die Partei“ gehe, so Pistorius im ZDF. Auch sein Vater engagierte sich, baute im Stadtviertel eine Jugendfußballabteilung auf. Dort spielte der heutige Minister in der Verteidigung – sein einschüchternder Spitzname: „Kamikaze“!


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Über den Umweg einer Kaufmannslehre und nach der Wehrdienst begann dann Pistorius‘ eigener Aufstieg mit einem Jura-Studium. Der Star-Trek-Fan (eine Gemeinsamkeit mit Markus Söder!) stieg danach ein in die Politik, als Referent des damaligen niedersächsischen Innenministers. Wohin wird ihn der Weg im nächsten Jahr weiter führen?