Der russische Angriff, der den Krieg gegen die Ukraine eröffnete, jährt sich bald zum zweiten Mal. Dennoch scheint kein Ende in Sicht. Putin greift immer wieder an – doch die Ukraine harrt weiter aus. Dabei sind die Chancen Russlands, gegen die Ukraine zu gewinnen, lange nicht mehr so gut, wie am Anfang angenommen.
Generalmajor Dr. Christian Freuding ist unter anderem als Leiter für den Sonderstab Ukraine im Verteidigungsministerium zuständig. Der Zeitung „Welt am Sonntag“ berichtete er zu der Lage in der Ukraine: „Russland ist derzeit in der militärischen Initiative. Aber unvorstellbar hohe personelle Verluste sind der Preis dafür. Es gibt seriöse Quellen, die prognostizieren: Bis Ende des Jahres werden die Russen 500.000 Mann verloren haben.“ Das ist keineswegs der militärische Erfolg, den Putin seinem Volk verkaufen will.
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Putin: Russland gehen die Ressourcen aus
Der Militärexperte berichtet weiter über die Entwicklungen in Russland: „Die Leistungsfähigkeit des militärisch-industriellen Komplexes konnten sie steigern.“ Das Militär habe noch einiges in seinen Depots, berichtet Freuding. Außerdem habe Putin weiterhin Unterstützung seiner ausländischen Partner. Mit ihnen sei er „fähig zur technischen Innovation, sei es bei Drohnen, sei es bei Lenkflugkörpern und Raketen.“ „Russland hat Herausforderungen allein durch das Sanktionsregime. Aber jedes Sanktionsregime reagiert wie ein Wasserlauf, es bilden sich immer wieder Umgehungswege. Unsere Aufgabe ist, diese Umgehungswege sukzessive zu schließen.“
Dennoch: Auch Russlands technischen und menschlichen Ressourcen seinen endlich, betont Freuding. Anlass zu dieser Annahme bietet „die dramatisch abnehmende Qualität des Personals, das de facto unausgebildet ins Gefecht geschickt wird.“ Der Generalmajor berichtet weiter, es gäbe „berechtigte Zweifel“ ob Russland trotz seiner Rekrutierungsmaßnahmen in der Lage sei, seine numerische Überlegenheit auf dem Schlachtfeld aufrechtzuerhalten.
Schon jetzt melden sich immer weniger Freiwillige zum Dienst an der Front und das, obwohl Putin den Einsatz ausgesprochen hoch vergütet (wir berichteten). Freuding schätzt die Lage in Anbetracht der Entwicklungen nicht gut für Russland ein. Er sähe in absehbarer Zukunft keine große russische Offensive.
Ukraine erkämpft sich ihr Land zurück
Das bedeutet auch, dass die Ukraine gute Chancen hat, sich gegen ihren Angreifer durchzusetzen. „80 Prozent des Territoriums sind frei, das müssen wir uns immer wieder vergegenwärtigen“, berichtet Freuding. Die Hälfte des Gebietes, das Russland besetzt hatte, sei zudem bereits zurückerobert worden. „Die modernen russischen Streitkräfte sind de facto zerstört. Die gut ausgebildeten Truppenteile existieren nicht mehr, ganze Divisionen sind vernichtet.“
Aufgeben, ist sich Freuding sicher, wird Putin trotz aller Widrigkeiten nicht. „Der imperialistische Impuls Russlands ist ungebrochen. Umso wichtiger ist es für uns, jetzt er Ukraine zum Sieg zu verhelfen. Gleichzeitig müssen wir unsere eigenen Verteidigungsanstrengungen verstärken. Nicht nur wir in Deutschland, sondern alle Bündnispartner, um jeden Tag zu verdeutlichen: Wir werden jeden Zentimeter des Nato-Gebietes verteidigen und jeden Angriff auf unsere Freiheit zurückschlagen. Diese Entschlossenheit der Bündnispartner wird von potenziellen Gegnern verstanden.“
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Um weiterhin im Krieg gegen Russland durchhalten zu können, bräuchte die Ukraine vor allem Durchhaltefähigkeit, Munition und Luftverteidigung, erklärt Freuding. „Wenn es gelingt, neue Soldaten zu rekrutieren, müssen die ausgebildet
werden.“