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„Revier droht Rückfall in die Provinzialität“

„Dem Revier droht Rückfall in die Provinzialität“

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Foto: WAZ FotoPool
Politiker und Kulturschaffende befürchten, dass der Schwung in der Region nach dem Kulturspektakel Ruhr.2010 wieder verebbt. Sie entwerfen deshalb eine Vision von einer Metropole Ruhr, die auch politisch mit einer Stimme spricht.

Essen. 

Fritz Pleitgen wünscht sich was vom Ruhrgebiet: „Wach’ endlich auf!“ Der Kulturhauptstadt-Chef fürchtet, dass das Revier nach dem rauschenden Ruhr.2010-Fest wieder zurückfällt. In die Bedeutungslosigkeit. In Provinzialität, Kleingeist und Kirchturmdenken. Er träumt den Traum von der „Metropole Ruhr“.

Damit steht der frühere Fernsehmann nicht allein. Gelsenkirchens Oberbürgermeister Frank Baranowski (SPD) fordert: Stärkt den ­Regionalverband Ruhr (RVR). Und Ex-Minister Christoph Zöpel (SPD) wettert gegenüber der WAZ: „Fünf Millionen Einwohner werden von einer Einrichtung vertreten, die kaum handlungsfähig ist.“ Auch er meint den RVR.

Pleitgen entwirft Vision vom Revier

Vor der Ruhr-CDU hatte Pleitgen eine flammende Rede gehalten. Über seine Vision von einem Revier, das sich in Berlin nicht mit ­Brotkrumen abspeisen lässt, während Stuttgart und München Fleisch bekommen. Ein Revier, das richtige Bahnhöfe hat und keine Not-Stationen. Ein Revier, dessen Städte nicht in jeder Rangliste hinten auftauchen.

Nun legt Pleitgen nach. ­Anlass ist ein Dokument aus dem RVR, das den Weg zu einem neuen Regionalplan ­beschreibt. „Diesem Papier ist anzusehen, wie unglaublich mühselig dem RVR der Weg zur Metropole Ruhr gemacht wird.“ Es müsse nun einen „politischen Ruck“ geben, sonst falle das Ruhrgebiet noch weiter zurück.

Das Ruhrgebiet, so Pleitgens Idee, müsste mehr zur Chefsache werden. Es gebe viele starke ­Persönlichkeiten in den Rathäusern, die für die ganze ­Region sprechen könnten. Zum Beispiel der Dortmunder Ullrich Sierau, der Gelsenkirchner Frank Baranowski oder die Mülheimerin Dagmar Mühlenfeld. Ein Jahr könnte die Amtszeit eines solchen Metropole-Ruhr-Repräsentanten dauern, dann wäre der oder die nächste dran. Dieses System erinnert an den Bundesrat, der im Wechsel von den Länderchefs geführt wird.

Solche Visionen gefallen nicht jedem. Aus den Rathäusern ist kein lauter Beifall zu hören. Die neue RVR-Direk­torin Karola Geiß-Netthöfel verteidigt das Papier. Dennoch geht sie nach der Vorlage von Pleitgen in die Offensive: „Ich freue mich, dass er dem RVR eine führende Rolle ­geben will“.

Was müsste passieren, um aufzuholen?

Was aber müsste passieren, um den Rückstand gegenüber anderen Regionen aufzuholen? Pleitgen, Ex-Staatsminister Zöpel und Baranowski glauben: Nur ein starker RVR kann das Ruhrgebiet voran bringen.

Fritz Pleitgen stellt sich das so vor. Erstens: Der RVR soll entscheiden dürfen, was heute drei Regierungsbezirke entscheiden. Zweitens: Das Ruhrparlament müsste von den Bürgern direkt gewählt werden. Und: Nach Vorbild des Bundesrates sollte ein Revier-Oberbürgermeister für ein Jahr die politische Führung der „Metropole Ruhr“ übernehmen. Dafür geeignete Persönlichkeiten: Ullrich Sierau (Dortmund), Frank Baranowski (Gelsenkirchen), Bernd Tischler (Bottrop), Dagmar Mühlenfeld (Mülheim) oder Ottilie Scholz (Bochum).

Christoph Zöpel (SPD) sieht’s ähnlich: „Das Hauptproblem im Revier ist, dass drei Regierungsbezirke und zwei Landschaftsverbände auf eine Region einwirken. So kommt das Revier nicht weiter. Das lässt sich nur verhindern, wenn die Städte zusammenhalten.“

Revier lebt von der Vielfalt der Städte

Frank Baranowski (SPD) glaubt: „Wir brauchen ein direkt gewähltes ‚Gesicht für das Revier’ und ein direkt gewähltes Ruhrparlament.“ Der Gelsenkirchener will, dass ein neues RVR-Gesetz auf den Weg gebracht wird. „Das steht im Koalitionsvertrag. Wir sollten dem Landtag einen Vorschlag machen und nicht warten, dass etwas passiert.“

Nicht jedem Stadtoberhaupt sind solche Gedanken geheuer. Der Essener Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD) hatte jüngst der WAZ gesagt: „Wir brauchen keine Zentrale, die alles, was das Revier betrifft, plant und bestimmt. Wir brauchen kein von den Bürgern direkt gewähltes Parlament. Was sollte dieses gewählte Parlament denn tun?“ Auch sein OB-Kollege Klaus Wehling (SPD) aus Oberhausen bleibt lieber vorsichtig. Er will dem RVR eine „dienende Funktion“ zugestehen. Wichtige Dinge würden ja schon in der Runde der Oberbürgermeister besprochen. Ansonsten gilt für ihn: „Das Ruhrgebiet lebt von der Vielfalt der Städte.“ Ein Bekenntnis zur „Metropole Ruhr“ würde sich wohl anders anhören.

Und wie denkt die RVR-Chefin Karola Geiß-Netthöfel über ein neues Ruhrgebiet? Zusammenarbeit nach dem Vorbild der Kulturhauptstadt findet sie gut. Der neue Regionalplan sei eine erste Maßnahme dafür.