Das können wohl nur Menschen verstehen, die in der Berlin-Mitte-Blase gefangen sind! Auf der einen Seite hat die SPD den beliebtesten Politiker des Landes in ihren Reihen. Auf der anderen Seite tritt sie wahrscheinlich mit dem gescheiterten Kanzler Olaf Scholz an, der praktisch gar keinen Rückhalt mehr in der Bevölkerung hat.
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Dieser Widerspruch ist kaum nachzuvollziehen. So bekam der Kanzler von seiner SPD-Fraktion frenetischen Applaus nach seiner Lindner-Rauswurf-Rede am Mittwochabend. Saskia Esken bekräftigte kurz darauf, dass Scholz der SPD-Kanzlerkandidat wird. Komme, was wolle – auch wenn das Wahlvolk mit übergroßer Mehrheit etwas anderes möchte.
Deutsche wollen Pistorius als Kanzlerkandidat – SPD-Führung ignoriert das
57 Prozent wünschen sich, dass Verteidigungsminister Boris Pistorius für die SPD ins Rennen geht. Nur 13 Prozent sind für Scholz. Das ergab eine ganz frische Forsa-Umfrage für RTL und n-tv nach dem Ampel-Ende. Selbst unter SPD-Anhängern liegt Pistorius deutlich vorne: 58 zu 30 Prozent.
Wichtiger noch: Die SPD könnte mit Pistorius auch Wählerinnen und Wähler von anderen Mitte-Parteien zur zurückgewinnen. So sind 66 Prozent der Grünen-Wähler für den Verteidigungsminister als Kanzlerkandidaten, bei CDU/CSU sind es 70 Prozent und bei der FDP sogar 71 Prozent!
Mit anderen Worten: Der harte Kern der SPD-Wähler, aktuell zwischen 14 bis 16 Prozent in Umfragen, wählt die Partei auch trotz und mit Scholz. Doch die Sozialdemokraten hätten mit Pistorius weitaus größere Chancen, andere Wählerpotenziale neu für sich zu gewinnen.
Auch eine zweite Umfrage unterstreicht, dass Scholz im Volk unten durch ist. Laut einer Blitzumfrage von Infratest dimap für den ARD-Deutschlandtrend ist nur jeder Fünfte mit seiner Arbeit zufrieden (21 Prozent).
Laut INSA für „Bild“ finden sogar 59 Prozent das Verhalten von Scholz in der aktuellen Krise gegenüber den Bürgern „respektlos“. Das ist besonders pikant, weil der SPD-Mann mit „Respekt für dich“ im Bundestagswahl 2021 warb.
Harris-Effekt verpuffte – Trump gewann: SPD kennt das von Martin Schulz
Doch ausgerechnet das Beispiel Kamala Harris und der Wahlsieg von Donald Trump könnte nun dazu führen, dass die SPD-Spitze nicht mehr rechtzeitig wach wird. In den USA gab es eine ähnliche Debatte um die Wahlchancen von Präsident Joe Biden gegen Trump. Nach einem desaströsen TV-Duell musste Biden Platz machen für Harris.
Wie wäre die Debatte in der SPD heute, wenn Harris als Ersatzkandidatin gewonnen hätte? Zunächst gelang es der neuen Kandidatin schnell in Umfragen aufzuholen und zwischenzeitlich schien es so, als würde sie Trump tatsächlich besiegen können. Doch am Ende mobilisierte sie doch zu wenige Wähler, vor allem bei Latinos und Schwarzen. Der Harris-Effekt, den man im August und September noch in Umfragen erkennen konnte, verpuffte wieder. Trump triumphierte doch.
Schicksalsergeben mit Scholz in die Rolle als Junior-Partner von Merz
Die Sozialdemokraten erlebten so ein ähnliches Phänomen 2017 mit dem Kanzlerkandidaten Martin Schulz. Nach seiner Nominierung schoss der neue Hoffnungsträger der SPD raketenhaft hoch in den Umfragen, um letztlich dann doch krachend zu scheitern. Angela Merkel blieb Kanzlerin.
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So wird die SPD-Führung wahrscheinlich schicksalsergeben mit Olaf Scholz in die letzte Schlacht gehen. Es scheint keinen Glaube daran zu geben, dass Pistorius tatsächlich in der Lage wäre als Ersatzkandidat das Blatt zu wenden. Bisher gibt es nur wenige prominente SPD-Politiker, die sich für den Niedersachsen aussprechen. Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter ist eine Ausnahme.
In der SPD-Bundestagsfraktion scheint Scholz jedenfalls nach dem Ampel-Aus neuen Rückhalt gefunden zu haben. Geht es nach den aktuellen Umfragewerten, könnte allerdings ein beachtlicher Teil dieser Abgeordneten bald nicht mehr im Bundestag sitzen. Sie scheinen das fatalistisch hinzunehmen. Will man in der SPD etwa mehr sein als ein Juniorpartner von Friedrich Merz?