Polizei ermittelt gegen zwei Teilnehmer des Vorzeige-Projekts „Klarkommen“. Die Opposition wittert eine bewusste Verschleierung der Landesregierung.
Düsseldorf.
Ausgerechnet zwei Teilnehmer eines Präventionsprojekts des Landes für junge Nordafrikaner gehören zu den Tatverdächtigen der Kölner Silvesternacht. Die Polizei ermittelt gegen sie wegen sexueller Nötigung, Diebstahls und Beleidigung auf sexueller Grundlage. Das musste Innenminister Ralf Jäger (SPD) jetzt auf Anfrage des FDP-Innenexperten Marc Lürbke im Landtag einräumen.
Die Jugendlichen wurden im Vorzeige-Projekt „Klarkommen“ betreut, das in Köln, Duisburg und Dortmund eigentlich dafür sorgen soll, dass junge Migranten nicht auf die schiefe Bahn geraten. Innenminister Jäger persönlich hatte es im September 2014 in Köln mit der Ankündigung „Schafft Sicherheit und fördert Integration“ ins Leben gerufen und es sich nicht nehmen lassen, für ein Pressefoto mit lokalen Sozialarbeitern nach Köln zu fahren.
Minister war seit 5. Februar informiert
Pikant: Die Kölner Polizei informierte das Innenministerium bereits am 5. Februar darüber, dass zwei Tatverdächtige im Projekt „Klarkommen“ praktisch unter den Fittichen des Landes standen. Öffentlich machte Jäger diesen Umstand jedoch erst jetzt, nachdem er sich „noch einmal persönlich“ habe berichten lassen. Das Innenministerium verweist darauf, dass Jäger zuvor gar nicht danach gefragt wurde und deshalb nichts verschleiert habe.
Die CDU-Sprecherin im Landtags-Untersuchungsausschuss zur Kölner Silvesternacht, Ina Scharrenbach, warf dem Innenminister hingegen „systematische Vertuschung“ vor. Das bisherige Stillschweigen sei eine Verhöhnung der Opfer. „Scheibchenweise kommt nun ans Licht, wie unglaubwürdig das Aufklärungsversprechen dieses Ministers ist“, so Scharrenbach.
Medienanfragen wurden abgeblockt
Wie aus dem internen Mail-Verkehr des Innenministeriums hervorgeht, sollte nach den Silvesterübergriffen augenscheinlich jeder Zusammenhang mit dem „Klarkommen“-Projekt vermieden werden. Die Kölner Awo als Projektverantwortliche vor Ort meldete dem Ministerium eine Flut von Medienanfragen zu „Klarkommen“.
Zwischen dem 6. und 18. Januar tauschte sich deshalb die Awo-Geschäftsführerin, zugleich SPD-Lokalpolitikerin, mit der Ministeriumsspitze über einen bemerkenswerten Abwehrkampf gegen die Berichterstatter aus. Journalisten, darunter auch ein Kollege unserer Zeitung, seien „abgewimmelt“, „vertröstet“, einfach nicht zurückgerufen und das Innenministerium „argumentativ rausgehalten“ worden, heißt es im Mailverkehr in seltener Klarheit.
Opposition wittert Vertuschung
Das Innenministerium erklärte die restriktive Medienpolitik am Freitag mit dem Schutz der minderjährigen Projektteilnehmer in der aufgeheizten Phase nach den Silvesterübergriffen. Allgemeine Informationen zu dem Projekt seien weiterhin gegeben, nur eben keine Interviewwünsche erfüllt oder Drehgenehmigungen erteilt worden.
Die Opposition im Landtag wittert dagegen, dass Jägers Umfeld schon sehr früh gemerkt habe, dass das lange so stolz vermarktete „Klarkommen“-Projekt angesichts des Migranten-Mobs der Silvesternacht politisch in neuem Licht erscheinen würde. Jede Verbindungslinie zwischen staatlicher Betreuung für Nordafrikanern und den massenhaften sexuellen Übergriffen sollte deshalb verwischt werden. Der Projektverantwortliche im Innenministerium ist immerhin Abteilungsleiter Martin Bornträger, einer der engsten Vertrauten von Minister Jäger.
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