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So weit kommt eine Durchschnitts-Familie mit dem Mindestlohn

So weit kommt eine Durchschnitts-Familie mit dem Mindestlohn

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Foto: Archiv/dpa
8,50 Euro Mindestlohn. Klingt erstmal nicht schlecht, um Ungerechtigkeiten auszugleichen – aber reicht das wirklich? Wir haben verglichen, was eine deutsche Durchschnittsfamilie im Monat ausgibt. Und wie weit eine dreiköpfige Familie im Schnitt mit dem Mindestlohn kommt.

Essen. 

Wie weit reicht der Mindestlohn? Für eine kleine Familie etwa, eine Friseurin, ein Bauhelfer, ein kleines Kind? Zugegeben: Ohne Mindestlohn wäre vermutlich noch weniger Geld in der Kasse. Aber auch mit einem gesicherten Stundenlohn von 8,50 Euro liegt das Haushaltseinkommen deutlich unter dem Durchschnitt. Und unter der Armutsgrenze. Wir haben eine Beispielrechnung aufgestellt. Es sind zwar nur ungefähre Zahlen – aber sie vermitteln dennoch einen Eindruck vom Leben mit Mindestlohn.

Gehen wir von der klassischen Rollenverteilung aus: Er schuftet als ungelernter Helfer auf dem Bau. Vollzeit mit 38 Wochenstunden stehen nach Steuern grob 970 Euro auf dem Lohnzettel. Sie steht halbtags am Frisiertisch und bringt nach Steuern 510 Euro nach Hause. Rechnet man das Kindergeld dazu, dann stehen rund 1660 Euro zur Verfügung. Damit gilt unsere Beispiel-Familie offiziell als arm: Die definierte Armutsgrenze in der EU liegt bei 60 Prozent des Durchschnittseinkommens des Heimatlandes.

Durchschnittsfamilie gibt 22 Prozent für Strom und Miete aus

Laut Statistischem Bundesamt (Destatis, Bericht übers Jahr 2012, S.34) kann eine Durchschnittsfamilie mit einem oder mehr Kindern monatlich auf ein Haushalts-Nettoeinkommen von 4417 Euro* zurückgreifen. Die durchschnittlichen Ausgaben liegen laut Destatis im Einzelnen bei:

  • Konsum-Ausgaben insgesamt: 3185€ (72%) — davon:
  • Miete/Energie: 988€ (22%)
  • Essen/Tabak: 479€ (11%)
  • Kleidung/Schuhe: 174€ (4%)
  • Möbel/Ausstattung/Haushaltsgeräte: 167€ (4%)
  • Auto/Bahntickets: 514€ (12%)
  • Telefon/Internet: 76€ (2%)
  • Hobby/Reisen/Freizeit/Spielen/Lesen/Unterhaltung/TV/Camping/Garten etc.: 340€ (8%)
  • Bildung/Nachhilfe/Kinderbetreuung: 59€ (1%)
  • auswärts essen/übernachten: 172€ (4%)
  • sonstiges (z.B. Hygieneartikel/Schmuck/Dienstleistungen): 122€ (3%)
  • dazu kommen: private Altersvorsorge und Versicherungen, Kreditrückzahlungen, „Spargroschen“

Da kommt unsere Beispiel-Familie nicht mit. Für Miete und Energie sind geschätzt 550 Euro fällig. Für Lebensmittel gibt unsere Familie 200 Euro aus. Das Sozialticket der Stadtbahn kostet für beide zusammen 60 Euro. Handy und Internet sind kaum wegzudenken und schlagen mit, sagen wir, 70 Euro zu Buche. Für Kleidung müssen im Schnitt 70 Euro her, für Haushaltsgeräte und Möbel auch 70 Euro.

Drogerieartikel und Schmuck machen pro Monat rund 50 Euro aus, Produkte und Dienstleistungen zur Gesundheitspflege 40 Euro. Die Nachhilfe fürs Kind kostet 40 Euro. Für sonstige Alltagsdinge (Hobbys, DVDs, Bücher, Spielzeug…) fallen rund 150 Euro an. Macht 1300 Euro — spitz auf Knopf gerechnet. Bleiben 360 Euro, die eigentlich in die private Altersvorsorge fließen müssten. Wenn da nicht noch Klassenfahrten, Weihnachten, ein Kneipen-Bierchen oder ein Stück Kuchen im Zoo wären.

„Mindestlohn bewahrt keine Familie vor Armut“

Weit kommt man mit dem Mindestlohn also nicht, trotz staatlicher Sozialleistungen wie etwa niedrigerer Kita-Gebühren. Was soll das also? „Der Mindestlohn bewahrt keine Familie, die alleine davon leben muss, vor der Armut“, weiß auch Ulrich Schneider, Geschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands. Er sei armutspolitisch nur dann sinnvoll, wenn gleichzeitig auch Kindergeld und Wohngeld deutlich steigen würden.

Schneider sieht den Mindestlohn vielmehr als ein Symbol: „Es geht um Respekt vor der Arbeitsleistung, um den Wert von Arbeit. Es geht darum zu verhindern, dass Arbeitgeber gezielt auf Hartz-IV-Aufstocker setzen und damit den Sozialstaat ausplündern. Und es geht um die Verhinderung von Lohndumping und den Schutz unserer Sozialsysteme.“

*Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes wurden unter Bezugnahme aufs Statistische Bundesamt ein Haushaltsnettoeinkommen von 4270 sowie Konsum-Ausgaben von 3190 Euro genannt. Diese Zahlen waren falsch, wir haben sie korrigiert.