Was bedeutet die neueste Entwicklung in Syrien für Deutschland? Der seit 2011 andauernde Bürgerkrieg ist neu aufgeflammt. Nun konnten die radikalen sunnitischen Islamisten der Terrororganisation Haiat Tahrir al-Scham (HTS), die aus der Al-Kaida hervorgegangen, die Metropole Aleppo unter ihre Kontrolle bringen. Sie haben die Regierungskräfte des Diktators Baschar Hafiz al-Assad überrumpelt. Assad wiederum ist ein enger Verbündeter Putins.
+++ Interessant: Olaf Scholz überraschend in Kiew – alle achten plötzlich auf seine Hand +++
Minderheiten wie Armenier, Assyrer und andere christliche Gemeinschaften und vor allem Kurden könnten jetzt in Gefahr schweben. Das Risiko, dass es zu Gräueltaten und Massakern an diesen Volksgruppen kommen könnte, sei groß, befürchtet Kamal Sido, Nahost-Referent der Gesellschaft für bedrohte Völker. „Eine neue islamische Republik von Erdogans Gnaden“ könnte sich nach Jahrzehnten der Assad-Diktatur in Syrien entwickeln, befürchtet Sido.
CDU-Innenexperte: „Keine Fluchtbewegungen nach Deutschland zulassen“
Rund 970.000 Menschen aus Syrien leben in Deutschland. Könnte es nun zu einer neuen Flüchtlingswelle kommen? Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, Alexander Throm, schiebt bereits einen Riegel vor. Den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte er am Montag (2. Dezember): „Sollten sich Fluchtbewegungen aufgrund des Vorrückens dschihadistischer Gruppierungen in Nordsyrien ergeben, so haben diese innerhalb sicherer Bereiche des Landes oder in Nachbarstaaten zu erfolgen.“
+++ Lesenswert: Asyl-Debatte: „Diese Mädchen sind Freiwild in Syrien“ – lässt Deutschland sie jetzt im Stich? +++
Die Fraktionsvize der CDU/CSU, Andrea Lindholz, will sogar, dass Kanzler Olaf Scholz in einem Statement klarmacht, „dass anders als 2015 dieses Mal keine Flüchtlinge in Deutschland willkommen sind und die Grenzen für illegale Einreisende konsequent dichtgemacht werden“.
Neue Gewalt-Eskalation in Syrien – und die Asyl-Folgen für Deutschland
Terrorismus-Experte Peter Neumann rechnet gegenüber der „Bild“ damit, dass die neue Situation im Bürgerkrieg „den Migrationsdruck Richtung Westen verschärft“. Er halte ein Friedensabkommen zwischen den Kriegsparteien „auf kurze Frist für nahezu ausgeschlossen“.
Zumindest die zuletzt geplanten Abschiebungen von Schwerkriminellen und terroristischen Gefährdern nach Syrien dürften jetzt weitaus problematischer bis unmöglich werden, sollte der Bürgerkrieg nun weiter eskalieren. So erklärt das Bundesinnenministerium auf Anfrage von „t-online.de“: „Abschiebungen von vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländern sind nur denkbar, wenn die Sicherheitslage vor Ort dies zulässt, alle rechtlichen Voraussetzungen vorliegen und tatsächliche Möglichkeiten für die Durchführung von Abschiebemaßnahmen gegeben sind.“
Der Flüchtlingsrat Berlin hat vor der Innenministerkonferenz einen Stopp von Abschiebungen nach Syrien, Afghanistan und weiterer Länder gefordert. In Afghanistan herrsche die Terrormiliz der Taliban, Syrien sei nach wie vor ein Bürgerkriegsland, heißt es in einer am Samstag veröffentlichten Erklärung des Vereins. Seit diesem Tag hat sich die Lage noch zusätzlich zugespitzt.
Niederländische Zeitung: Aus Abschiebungen „wird wohl vorerst nichts werden“
Auch im benachbarten Ausland wird die neue Lage in Syrien analysiert. Die niederländische Zeitung „De Telegraaf“ kommentiert die Einnahme Aleppos so: „Inzwischen tauchen schockierende Bilder von Hinrichtungen syrischer Soldaten auf. Christen und andere Minderheiten fürchten um ihre Sicherheit. Die HTS wird beschuldigt, Journalisten und politische Gegner zu foltern und scheint nicht besser zu sein als das barbarische Assad-Regime. Da der Konflikt eingefroren schien, wollte die niederländische Regierung unter Ministerpräsident Dick Schoof nach dem Vorbild anderer Länder Syrien für (teilweise) sicher erklären, sodass Syrer keine Aufenthaltsgenehmigungen mehr erhalten und große Gruppen zurückkehren werden können. Aus diesem ohnehin wackeligen Teil des Asylkonzepts der Regierung wird wohl vorerst nichts werden.“
Weitere Nachrichten für dich:
Aufgrund der heftigen Menschenrechtslage und auch allein schon aus organisatorischen Gründen, dürfte die neue Lage in Syrien die Planungen von europäischen Regierungen gründlich durcheinanderbringen.