Auch ganz knapp vor der Bundestagswahl sind laut dem ZDF-„Politbarometer“ von Donnerstag noch 27 Prozent der Befragten unsicher gewesen, wen sie wählen sollen. Das liegt auch daran, dass dieser Wahl besonders viel Bedeutung zugesprochen wird. Viele wollen diesmal taktisch wählen, also ihre Kreuze so setzen, dass ihre Wunschkoalition möglich wird oder damit im Bundestag eine bestimmte Partei stark vertreten ist.
Wir klären dich hier auf: So musst du wählen, wenn du einen bestimmten Ausgang der Bundestagswahl mitbeeinflussen willst.
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Bundestagswahl: So solltest du taktisch wählen, wenn…
- … du die Grünen nicht in der Regierung haben willst
Viele Wählerinnen und Wähler haben eine besondere Antipathie gegen die Grünen und ihren Kanzlerkandidaten Robert Habeck entwickelt. CSU-Chef Markus Söder hat sich da angeschlossen und eine Koalition mit den Grünen kategorisch ausgeschlossen. Sein Kanzlerkandidat Friedrich Merz allerdings bewusst nicht, er will sich auch die Option Schwarz-Grün offenhalten. Tatsächlich kann es auch zu einem Wahlausgang kommen, bei dem ein Dreierbündnis aus Schwarz-Rot-Grün (Kenia-Koalition) rechnerisch nötig werden wird. Denkbar ist ebenso, dass die SPD noch schlechter abschneidet als in den Umfragen (unter 15 Prozent). Dann wären die Sozialdemokraten möglicherweise nicht regierungsfähig. Die Partei müsste sich komplett neu aufstellen nach einem solchen Wahldebakel.
Der aussichtsreichste Weg, die Grünen in der Regierung zu verhindern, ist die FDP zu wählen. Die Partei von Christian Lindner hat einerseits eine Koalition mit den Grünen ausgeschlossen und strebt andererseits eine Deutschland-Koalition (Union, SPD, FDP) an. Dafür aber müsste zunächst der Wiedereinzug in den Bundestag gelingen.
- … du eine starke soziale Opposition gegen einen Kanzler Merz haben willst
Ob beim Bürgergeld oder bei Steuersenkungen für Wohlhabende: Friedrich Merz vertritt viele Positionen, die linken Wählerinnen und Wählern Bauchschmerzen bereiten. Da SPD und Grüne als potentielle Koalitionspartner bereit stehen, ist in diesem Fall eine Stärkung der Linkspartei durch deine Zweitstimme der logischste Weg, wenn du eine starke und laute linke Oppositionskraft im Parlament haben willst. Allerdings ist damit nicht gesagt, dass harte Reformen am Sozialstaat verhindern werden können. Die Linke könnte nur protestieren und kritisieren.
- … du ein Zweierbündnis und damit eine stabile neue Regierung haben willst
Die Ampel-Koalition hat nicht mal die vollen vier Jahre der Legislaturperiode durchgehalten und schon lange vor dem Bruch zerstritten. Zu sehr über Kreuz lagen sich Grüne, FDP und SPD ideologisch. Mehr Chancen auf eine ruhigere und stabilere Regierung gibt es, wenn nur zwei Partner Kompromisse aushandeln müssen. Die Union und die SPD zum Beispiel. Wird ein Dreierbündnis nötig, etwa einer Kenia-Koalition mit Union, SPD und Grünen, dürfte auch die CSU von Markus Söder eine Sonderrolle beanspruchen. Dann ist es fast schon eine Viererkoalition – mit all den zu erwartenden negativen Folgen für das Klima der Zusammenarbeit.
Daher ist der sicherste Weg, für stabilere Verhältnisse zu sorgen, eine Stärkung der Union. Je stärker die CDU/CSU abschneidet, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie nur noch einen weiteren Juniorpartner für eine Mehrheit braucht. Aber auch die Wahl von SPD und Grünen macht in dieser Hinsicht Sinn, wenn man sich Schwarz-Rot oder Schwarz-Grün wünscht.
- … du den beliebtesten Politiker weiterhin als Minister behalten willst
Er ist der beliebteste Politiker des Landes laut allen Umfragen: Boris Pistorius. Es war offenbar ein schwerer Fehler der SPD, nicht ihn als Kanzlerkandidaten aufzustellen. Viele Menschen wünschen sich, dass Pistorius angesichts der Bedrohungslage durch Wladimir Putin und der neuen NATO-Unsicherheiten durch die Trump-Regierung im Amt bleibt und die Bundeswehr weiter modernisiert und aufrüstet.
Je stärker die SPD abschneidet, desto wahrscheinlicher ist es, dass auch der linke Parteiflügel bereit ist, in eine Groko mit Merz einzutreten. Über Koalitionsfragen entscheidet in der Regel ein Mitgliederentscheid. Pistorius hätte dann eine gute Aussicht, auch Vizekanzler und neuer starker Mann der Nach-Scholz-SPD zu werden. Zumal das Thema Verteidigung in der kommenden Legislaturperiode wahrscheinlich weiter an Bedeutung zunimmt.
- … du deine Stimmen nicht verschenken willst
Laut allen Umfragen haben neben Union, SPD, AfD und Grünen nur noch drei weitere Parteien Chancen auf den Einzug ins Parlament. Das sind die Linkspartei (die laut neuesten Umfragen sicher drin ist), die FDP und das BSW.
Bei der Europawahl haben viele progressiv eingestellte Wählerinnen und Wähler Volt angekreuzt. Doch dieses Mal wären das verschenkte Stimmen! In keiner Umfrage liegt die Europapartei auch nur annähernd in der Nähe von 5 Prozent. Ebenso gilt das auf konservativer Seite für Parteien wie die Freien Wähler oder die Werteunion. Es kann Sinn machen, das eigene politische Lager zu stärken, indem einer großen Partei die Stimmen gegeben werden. Dann konzentriert sich das zwar alles auf die Großen – dafür werden deine Stimmen dann aber auch im Parlament repräsentiert.
Erststimme: AfD-Kandidaten verhindern durch taktische Wahl
Besonders in der Hauptstadt Berlin, aber auch in vielen ostdeutschen Wahlkreisen kann es sich bei der Erststimme lohnen, taktisch zu wählen. So nehmen sich Kandidaten von SPD, den Grünen und der Linkspartei oft gegenseitig die Stimmen weg. Entgegen der eigentlichen progressiv-linken Mehrheit in diesen Stadtbezirken, könnten dann auch CDU- oder AfD-Kandidaten gewinnen. Hinzu kommt das neue Wahlrecht, wonach nicht mehr alle Sieger von Wahlkreisen in den Bundestag einziehen werden. Sie brauchen eine ausreichende Zweitstimmendeckung. Das liegt an der durch die Reform beschlossenen Verkleinerung des Bundestages. So können die prozentual schwächsten Wahlkreisgewinner einer Partei das Nachsehen haben und trotz ihres Sieges nicht einziehen.
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In Ostdeutschland ist das taktische Wählen zugunsten des aussichtsreichsten Mitte-Kandidaten interessant, um AfD-Wahlkreissiege zu verhindern. Auf Seiten wie election.de kann man sich vorab Prognosen für den heimischen Wahlkreis anschauen, um die vorausgesagten Mehrheitsverhältnisse zu analysieren.