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Deutschland und die USA erlauben der Ukraine mit westlichen Waffen russisches Gebiet anzugreifen. Droht jetzt die Eskalation?
Ein dramatischer Wendepunkt im Ukraine-Krieg sorgt für die Angst vor der Eskalation. Bundeskanzler Olaf Scholz und US-Präsident Joe Biden haben der Ukraine grünes Licht gegeben, mit westlichen Waffen auch Ziele auf russischem Territorium anzugreifen. Allerdings nur, wenn von dort aus eine Gefahr für die Millionenstadt Charkiw im Nordosten des Landes ausgeht.
Diese Entscheidung stärkt die Verteidigung der Ukraine, birgt aber auch das Potenzial, den Konflikt zu eskalieren. Droht nun die große Eskalation?
Ukraine-Kehrtwende der Bundesregierung
Die Ankündigung von Scholz und Biden bedeutet eine radikale Kehrtwende in der bisherigen Strategie. Bei den deutsch-französischen Konsultationen in Schloss Meseberg sagte Scholz, Angriffe auf russischem Boden seien völkerrechtlich immer erlaubt gewesen. Die Ukraine durfte das bisher aber nicht mit deutschen Waffen tun.
Scholz befürchtete, dass Deutschland dadurch in den Krieg hineingezogen werden könnte. Zugleich sorgt sich der deutsche Regierungschef um eine weitere Eskalationsspirale, die im schlimmsten Fall in einem Atomkrieg enden könnte.
Der Grund für die Wende
Grund für die plötzliche Kehrtwende ist die Situation in Charkiw. Charkiw wird seit Anfang Mai massiv von Russland bombardiert. Die ukrainische Luftabwehr kann dem Beschuss kaum etwas entgegensetzen. Das große Problem: Die Stadt liegt nur 30 Kilometer von der russischen Grenze entfernt.
Um eine Chance gegen die russischen Angriffe zu haben, müsste die Ukraine die Raketen auf russischem Territorium treffen dürfen. Mit den westlichen Waffen durfte sie das aber nicht!
Scholz zog mit Entscheidung nach
Zunächst hatten Großbritannien, Frankreich und andere Staaten grünes Licht gegeben. In der Nacht zum Freitag stimmte auch US-Präsident Joe Biden zu – kurz darauf kam die Zusage von Scholz.
Nun dürfen die Ukrainer auch deutsche Waffensysteme wie die Panzerhaubitze 2000 und den Raketenwerfer Mars II einsetzen, um russische Stellungen ins Visier zu nehmen.
Genau definierte Ziele
Um eine Eskalation zu vermeiden, haben die USA genau definiert, welche Ziele die Ukraine mit westlichen Waffen angreifen darf. Und zwar nur wenn wenn sie der Verteidigung von Charkiw dienen, der zweitgrößten Stadt der Ukraine.
Trotz dieser Kontrollmaßnahmen bleibt das Risiko einer Eskalation bestehen. Denn der Kreml hat immer wieder vor der Ausweitung der Kriegsziele gewarnt.
Diese zwei Szenarien sind möglich
Zwei Szenarien sind denkbar: Im ersten Fall bleiben die ukrainischen Angriffe auf russisches Territorium streng kontrolliert und begrenzt. Dies würde die Gefahr einer Eskalation minimieren. Sollte jedoch die Kontrolle über die Angriffe verloren gehen, könnte sich der Konflikt gefährlich zuspitzen.
Es gibt bereits Berichte über ukrainische Angriffe auf die russische Grenzstadt Belgorod, bei denen Zivilisten ums Leben kamen. Solche Aktionen könnten die Glaubwürdigkeit der Ukraine untergraben.
Reaktion aus Moskau
Aber die Ukraine hat schon vor dem grünen Licht aus Deutschland und den USA russische Stellungen im Hinterland angegriffen. Und zwar mit Waffen der Briten und Dänen. Moskau hat darauf kaum reagiert.
Doch nun, da US-Präsident Biden die Erlaubnis erteilt hat, Ziele in Russland mit US-Waffen anzugreifen, reagiert Moskau scharf und droht mit dem Einsatz von Atomwaffen. Dabei bezog er sich auf taktische Atomwaffen, die im Gegensatz zu strategischen Atomwaffen für den Einsatz auf dem Schlachtfeld gedacht sind.
Ex-Präsident Dmitri Medwedew warnte am Freitag, der Krieg in der Ukraine könne sich zu einem totalen Krieg ausweiten.
Ein Balanceakt zwischen Unterstützung und Eskalation
Die Entscheidung, der Ukraine mehr Verteidigungsmöglichkeiten zu geben, war kaum umgänglich. Denn die zweitgrößte Stadt der Ukraine droht zerstört zu werden, wenn die Ukrainer nicht in der Lage sind, feindliche Stellungen hinter der Front anzugreifen.
Gleichzeitig muss der Westen die Kontrolle über die Angriffe behalten, um sicherzustellen, dass keine zivilen Ziele getroffen werden.
Die Entscheidung, westliche Waffen für Angriffe auf russisches Territorium zuzulassen, ist eine heikle Gratwanderung. Einerseits stärkt sie die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine, andererseits birgt sie das Risiko einer Eskalation, die den gesamten Konflikt auf eine neue, gefährlichere Ebene heben könnte. Für die Ukraine war die Freigabe der westlichen Waffen aber definitiv notwendig.