Seit Kriegsausbruch in der Ukraine steht die Gas-Abhängigkeit Deutschlands und Europas von Russland im Fokus. Zwar bemüht sich die Bundesregierung darum, unabhängiger zu werden, doch auf das Erdgas von Putin wird man erst in Jahren verzichten können – und bis dahin weiterhin Milliarden nach Moskau überweisen.
In der ganzen Diskussion wird ein Detail völlig außer Acht gelassen, das für die Nachkriegszeit in der Ukraine, aber auch ganz Europa große Auswirkungen haben könnte.
Ukraine: Über wichtiges Detail spricht niemand – dabei könnte es Europas Lage verändern
Die Ukraine verfügt nämlich selbst über massive Erdgas-Vorkommen: Das Land sitzt auf riesigen Gasreserven, die eine enorme Bedeutung für die Zukunft des europäischen Energiemarktes haben könnten.
Bisher ist die Ukraine als eine Kornkammer der Welt bekannt. Das Land könnte aber auch zu einem relevanten Energielieferanten für Deutschland und andere europäische Staaten werden. Zudem könnten die Einnahmen aus den Energie-Exporten dem kriegsgebeutelten Land beim Wiederaufbau helfen und neuen Wohlstand bringen.
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Gas, Kohle und Öl aus Russland:
- Bis Mitte 2022 will Deutschland die russischen Ölimporte halbieren, so Robert Habeck.
- Zum Jahresende 2022 will man „nahezu unabhängig“ von russischem Öl sein.
- Bei der Kohle konnte der Anteil aus Russland von 50 auf 25 Prozent verringert werden.
- Bis zum Herbst 2022 soll Deutschland unabhängig sein von russischer Steinkohle.
- Bei Gas wird das laut Habeck erst bis Mitte 2024 möglich sein.
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Ukraine hat nach Norwegen die zweitgrößten Gas-Reserven in Europa
Zählt man Russland nicht dazu, dann verfügte die Ukraine Ende 2019 mit knapp 1,09 Billionen Kubikmeter Erdgas über die zweitgrößten Reserven in Europa nach Norwegen (1,53 Billionen Kubikmeter). Bislang noch unentdeckte Gasfelder könnten das Gesamtvolumen noch erhöhen.
Russland hat noch etwa 37 Billionen Kubikmeter Gasreserven. Somit sind die Gas-Potentiale zwar nicht vergleichbar – aber zumindest für eine Übergangszeit und als Brücke zu erneuerbaren Energien könnte auch Deutschland verstärkt auf Importe aus der Ukraine setzen.
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Bisher werden diese Gasreserven aber kaum genutzt. Laut einem Artikel der „Neuen Zürcher Zeitung“ aus dem Jahr 2020 zapft die Ukraine jährlich nur rund zwei Prozent ihrer Reserven ab. Mehr noch: Man importierte bislang sogar einen beträchtlichen Teil der benötigten Gasmengen aus dem Ausland.
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Ein Grund für das ungenutzte Potential: Der Abzug von Experten während der Zeit der Sowjetunion. „Havard International Review“ schrieb in einem Artikel 2020: „Als die UdSSR in den 1970er Jahren mit der groß angelegten Gasförderung in Westsibirien begann, wurde ein Großteil des einschlägigen Fachwissens und der Kapazitäten im Bereich der sowjetischen Gasexploration und -produktion von der Ukraine in die russische Sowjetrepublik und einige andere osteuropäische Staaten verlagert.“
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Die Ausschöpfung der Gasreserven könnten auch die Annäherung der Ukraine an die EU unterstützen, insbesondere da die benötigte Infrastruktur bereits vorhanden ist – oder wie es die Autoren im „Harvard International Review“ formulieren: „Die Erschließung der ungenutzten Reserven würde dem Gassektor und dem Energieverbrauch der Ukraine eine revolutionäre Zukunft bescheren.“