Botschatfer Andrij Melnyk sorgt für einen Skandal. Hintergrund sind seine Aussagen über den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Stepan Bandera, einem Nationalheld der Ukraine, in einem Interview.
Derweil stellt sich das NATO-Bündnis auf den Extremfall ein! Neue Informationen zum Ukraine-Krieg, Russland und der NATO liest du in diesem News-Blog.
News-Blog zum Ukraine-Krieg
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30. Juni 2022
12.45 Uhr: Interview mit Botschafter Melnyk löst Skandal aus – „Schämen Sie sich!“
Botschafter Andrji Melnyk ist ein Verehrer des umstrittenen ukrainischen Politikers, Nationalisten und Partisanenführers Stepan Bandera, der auch als Nazi-Kollaborateur, Faschist und Kriegsverbrecher bezeichnet wird. In der West-Ukraine aber genießt Bandera den Ruf eines Nationalhelden durch seinen Kampf für die Unabhängigkeit des Landes von der Sowjetunion.
Im Interview mit Thilo Jung geriet Melnyk nun in die Bredouille, als ihn der YouTube-Journalist mit den Vorwürfen gegen Bandera konfrontierte, insbesondere mit mutmaßlichen Massakern an Polen und Juden. Zunächst entgegnete der Ukrainer, dass es ebenfalls Massaker von Polen an seinen Landsleuten gab.
Als Jung dann näher auf die hingerichteten Juden und die Vorwürfe gegen Bandera von Seiten Israels einging, geriet Melnyk ganz in die Defensive. „Es gibt keine Belege, dass Banderas Truppen Hunderttausende Juden ermordet haben“, so Melnyk. Es gebe diese Erzählungen durch die russische Seite, doch das sei nicht korrekt.
Auch nachdem Jung weiter nachbohrte und Melnyk ein historisches Flugblatt von Bandera an das ukrainische Volk aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs vorlas, das den Antisemitismus zu belegen scheint (Zitat: „Moskowiten, Polen, Ungarn und Juden sind deine Feinde, vernichte sie!“), wich Melnyk nicht von seiner Linie ab. „Ich werde dir heute nicht sagen, dass ich mich davon distanziere. Und das war’s!“, so der Botschafter im Interview. Bandera sei kein Massenmörder von Juden und Polen gewesen, behauptete der Diplomat dann noch.
Moderator Jung zeigte sich irritiert darüber, dass Melnyk Bandera weiterhin als Helden bezeichnet. Der bekannte Pianist und politische Aktivist Igor Levit ist ebenfalls fassungslos. Auf Twitter schrieb er: „Der ukrainische Botschafter verleugnet einen Teil seiner Geschichte beim Interview mit Tilo Jung. Er spielt den Unwissenden. Was für eine Geschichtsverleugnung. Was für eine Geschichtsverklitterung. Was für eine Heuchelei. Schämen Sie sich.“
7.30 Uhr: NATO bereitet sich auf Krieg mit Putin vor – „Können Angriff nicht mehr ausschließen“
Die NATO bereitet sich auf das schlimmste Szenario vor. Am Mittwoch stellte das Verteidigungsbündnis des Westens beim Gipfel in Madrid ein neues Strategiepapier vor. Darin wird ein Krieg mit Putin für möglich erachtet.
In dem Strategiepapier heißt es: „Wir können einen Angriff auf die Souveränität und territoriale Integrität der Alliierten nicht mehr ausschließen.“ Nach dem Ukraine-Angriffskrieg erscheint nun also alles möglich – selbst ein direkter Angriff auf NATO-Gebiet! Die Russische Föderation habe die europäische Sicherheitsordnung ins Wanken gebracht.
Russland wird in dem Papier als die „größte und unmittelbarste Bedrohung“ für die NATO-Staaten bezeichnet. Putins Regime versuche „direkte Kontrolle durch Zwang, Subversion, Aggression und Annexion zu erreichen.“
Die NATO macht im Strategiepapier klar, dass sie auf „Drohungen und feindliche Handlungen“ geschlossen und reagieren werde. Die schnelle Eingreiftruppe soll von 40.000 auf mehr als 300.000 Soldatinnen und Soldaten erweitert werden. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg spricht von der „größten Neuaufstellung unserer kollektiven Verteidigung und Abschreckung seit dem Kalten Krieg“.
29. Juni 2022
11.55 Uhr: Russische Komiker bekennen sich zu Klitschko-Streich
Das Fake-Videotelefonat von von Berlins Bürgermeisterin Franziska Giffey mit einem falschen Vitali Klitschko sorgte für Schlagzeilen. Auch in Madrid, Wien, Warschau und Budapest wurden die Stadtoberhäupter auf diese Masche reingelegt. Nun konnte das ARD-Politikmagazin „Kontraste“ recherchieren, dass hinter ein russisches Comedy-Duo stecken soll.
Vladimir Krasnov und Alexei Stolyarov, in Russland bekannt als „Vovan“ und „Lexus“ sollen die Fake-Telefonate durchgeführt haben. Das Duo wolle Videoaufzeichnungen aller Gespräche ab Donnerstag ins Netz stellen.
10.30 Uhr: Russland hat gute Chancen, Ukraine-Krieg zu gewinnen – sagt ein westlicher Militärexperte
Wie geht es weiter im Ukraine-Krieg? Militärtheoretiker Martin van Creveld aus Jerusalem analysiert für die Zeitung „Welt“ die Lage und kommt zu einem ernüchternden Ergebnis für den Westen. Der Professor rechnet mit einem Sieg Putins! Er nennt vier Gründe, die für Russland sprechen.
So seien zwar seit 1945 viele staatlich geführte Kriege gescheitert, weil die Besatzer durch asymmetrische Kriegsführung und Terror zermürbt wurden. Doch die Ukraine führe keinen Guerilla-Krieg, sondern versuche in einer konventionellen Kriegsführung gegen Russland Stand zu halten. „Angesichts der Tatsache, dass auf eine ukrainische Salve zehn russische kommen, kann eine solche Strategie eigentlich nur das Rezept für eine Niederlage sein“, zeigt sich van Creveld überzeugt.
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Zudem hätten die Russen mittlerweile ihre Taktik erfolgreich angepasst. Nach dem gescheiterten Versuch einer Blitzeinnahme der Hauptstadt Kiew, setze man nun auf „die mächtigste Waffe“ der russischen Armee: die Artillerie und auf massive Zerstörungen von Städten und Siedlungen. So hätte der Angreifer deutlich weniger Verluste, während auf Seiten der Ukrainer täglich 100 bis 200 Soldaten fielen.
Hinzu würden die Nachschub-Probleme kommen. Zwar liefere der Westen moderne Waffen, doch eben nur schleppend und oft sei noch eine Ausbildung nötig. Außerdem erweise sich Russland auch durch die wirtschaftliche Kooperation mit China und Indien als ökonomisch widerstandsfähiger als erwartet. „Der Rubel, der nach Kriegsbeginn vor dem Kollaps stand, hat im Dollarvergleich ein Sieben-Jahres-Hoch erreicht, Tendenz steigend. Dank zurückgehender Importe und dem enormen Anstieg der Energiepreise fließt mehr Geld in russische Kassen als jemals zuvor“, berichtet van Creveld.
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Insgesamt kommt der Professor in seinem „Welt“-Gastbeitrag somit zum Fazit, dass Putin weitaus bessere Chancen hat als noch im Frühjahr.
10.15 Uhr: Ukraine verklagt Russland beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
Die Ukraine hat Russland schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen und eine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg eingereicht. Konkret wirft die Selenskyj-Regierung Russland gezielte und unverhältnismäßige Angriffe auf Zivilisten vor.
In der Beschwerde führt die Ukraine auf, dass Zehntausende Zivilisten verletzt, getötet oder verhaftet worden seien oder als vermisst gelten. Hunderttausende hätten ihr Zuhause oder ihren Besitz verloren, Millionen seien vertrieben worden und auf der Flucht.