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Wo die FDP eine „Volkspartei“ ist

Wo die FDP eine Volkspartei ist

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An der Grenze zu Rheinland-Pfalz ist die FDP die stärkste Kraft. Zu Besuch in der Hochburg der Liberalen in NRW. In der Gemeinde Eitorf im Rhein-Sieg-Kreis ist die Partei weit weg vom Klischee und nicht immer auf Linie.

Eitorf. 

Die FDP ist in diesen Tagen beim Wähler ungefähr so beliebt wie ein GEZ-Mann mit Mundgeruch. Dennoch gibt es noch Orte, in denen die Liberalen Volkspartei sind. In Eitorf, da wo Nordrhein-Westfalen schon fast Rheinland-Pfalz ist, haben bei der Kommunalwahl vor zwei Jahren 42 Prozent gelb gewählt. Die FDP stellt hier nicht nur den Bürgermeister, sondern ist – einmalig in NRW – sogar stärkste Fraktion im Rat. Irgendwas müssen die hier doch anders machen als ihre Parteikollegen in Berlin. Aber was? Zu Besuch in einer Hochburg der Freien Demokraten.

Die Liberalen stellen den Bürgermeister

Wer nach ruhiger Fahrt entlang der wilden Sieg die Ortseinfahrt von Eitorf passiert, denkt unweigerlich, dass hier die liberale Welt noch in Ordnung ist. Vorbei an dem Wegweiser zum Golfplatz und einigen mittelständischen Unternehmen führt der Weg zum Marktplatz. Dort akzeptiert ein Geschenkartikelladen sogar noch die D-Mark als Zahlungsmittel. Regelmäßig fährt der Chef nach Koblenz, bringt Clara Schumann und Balthasar Neumann zur Bundesbank. Willkommen im kleinen Reich der Besserverdiener und Euroskeptiker. So weit das Klischee.

Tatsächlich ist das einzig Typische für die FDP das gelb-blaue Logo der Postbank, die im architektonischen Durcheinander am Marktplatz zwischen Fachwerk und Wiederaufbaufassade ihren Platz gefunden hat. Eitorf hat mit 9,4 Prozent die höchste Arbeitslosenquote im Rhein-Sieg-Kreis, hat wichtige Unternehmen verloren und steht derzeit mit fünf Millionen Euro in der Kreide. „Uns als Partei der Top-Verdiener zu bezeichnen, ist Quatsch“, sagt Bürgermeister Rüdiger Storch. „Die FDP ist hier Volkspartei.“ Der promovierte Chemiker ist seit 2004 Chef im Rathaus.

Erdrutsch-Sieg für die FDP-Fraktion

Bei seiner Wahl habe er auch von der Zerstrittenheit von CDU und SPD profitiert, gibt er offen zu. Doch seine Bestätigung im Amt 2009 und den Erdrutschsieg der Fraktion, wobei alle 16 Ratskandidaten ihre Wahlkreise direkt gewonnen haben, führt Storch nicht allein auf den Protest der Wähler gegen Rot und Schwarz zurück: „Mir wird immer vorgeworfen, dass ich ein Händeschüttler sei. Aber im Gespräch mit den Bürgern bekommt man eben mit, was sie bewegt.“

Die Nähe zum Menschen. Was abgedroschen klingt, ist in Eitorf offenes Geheimnis des Erfolges. Ob bei 90. Geburtstagen, Goldhochzeiten oder Treffen mit Partei und Fraktion – Storch setzt auf Moderation, Kommunikation, Kontakt. Ob Rösler, Lindner und Westerwelle diese Nähe zur Basis verloren haben, vermag er nicht zu beurteilen.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende von Eitorf schon. Rüdiger Gräf war 40 Jahre bei der Bundeswehr, spricht Klartext: „Es war ein großer Fehler der FDP, sich seit 2009 nur auf Themen wie Wachstum und Steuersenkung zu beschränken. Die Leute vor Ort interessiert vielmehr, wie sie Beruf und Familie unter einen Hut bekommen.“ Er empfiehlt mehr Basisbeteiligung. Die Parteiführung solle keine Angst vor einer Mitgliederbefragung haben, wie sie der Abgeordnete Frank Schäffler zur Euro-Rettung angestrebt hat.

Wählerlob dank bürgernaher Politik

Bei der kommunalen Arbeit koppelt sich der pensionierte Luftwaffen-Oberst bisweilen bewusst von der offiziellen Parteilinie ab. „Wir tragen die Sekundarschule von Rot-Grün in Eitorf mit. Da können unsere Leute in Düsseldorf erzählen, was sie wollen.“ In den Jahren seit 2002 sei es gelungen, die Mitgliederzahl von 15 auf 50 zu erhöhen und Experten für bürgernahe Themen wie Gesundheit und Bildung zu gewinnen. Der Eitorfer honoriert so etwas. Die FDP in Berlin ist eine Katastrophe, aber die hier machen ganz ordentliche Arbeit, heißt es auf dem Marktplatz.

Das hat sich auch bis Düsseldorf herumgesprochen. Bereits zweimal wollte NRW-Generalsekretär Joachim Stamp mit einer Delegation an die Sieg kommen, um sich die erfolgreiche Arbeit erklären zu lassen. Zweimal ist der Termin geplatzt. Geschadet hätte ein Besuch bestimmt nicht.

Aktuelle Umfrage sieht FDP bundesweit bei drei Prozent

Die FDP hat in der Wählergunst erneut verloren. Nach dem am Mittwoch veröffentlichten Forsa-Wahltrend des Magazins „Stern“ und des Fernsehsenders RTL fallen die Liberalen FDP im Vergleich zur Vorwoche um einen Punkt auf drei Prozent zurück. Die Grünen gewinnen einen Prozentpunkt dazu und kommen auf 20 Prozent. Die SPD verliert einen Punkt und liegt bei 28 Prozent. Keine Veränderung zeigen die Union, die auf 31 Prozent kommt, sowie die Linke, die neun Prozent erreicht. Das Regierungslager aus Union und FDP liegt zusammen mit 34 Prozent 14 Prozentpunkte hinter einem rot-grünen Bündnis, das gemeinsam auf 48 Prozent kommt.